Bis im Spätmittelalter herrschte noch das
Naturverständnis im Sinne von Aristoteles, nämlich die Fokussierung des Wesens
als Hauptziel der Naturphilosophie, die unter dem Paradigma „Teleologie“ die
Wirklichkeit zu verstehen versuchte. Dieses Verständnis war noch im Einklang
mit der alten geo- und anthropozentrischen Kosmos-Konzeption, wobei die Erde
und damit der Mensch im Zentrum waren. Alle Naturdinge in ihrer spezifischen
Bewegung und Veränderung streben aus in sich getragenen Gründen dahin, ihre
„naturgemäßen Orte bzw. Ziele“ zu erreichen, z.B. die Pflanzen und Tieren
wachsen nach ihren keimhaften
„Entfaltungsmöglichleiten“, die Sterne und Planeten kreisen von selbst nach ihren „vorgeschriebenen Bahnen“,
die schweren Körper fallen nach
ihren „natürlichen Orten“ und so fort, wobei das Wort „nach“ hier in einem doppelten Sinne zu verstehen ist und zwar
erstens im Sinne der „Richtung“ d.h. „zu, hin“ und zweitens im Sinne der
„eigenen Natur“, d.h. „ihrer naturgemäß, -getreu“. Dieses Naturverständnis
erfüllte zugleich eine Orientierungsfunktion für die (damaligen) Menschen, denn
eine Wirklichkeit, die nach Platon eine „Ordnungsvernünftigkeit“ verkörpert und
nach Aristoteles stets nach „vordefinierten Zielen“ hinstrebt
(Zielgerichtetheit) und das noch in einem geo- und anthropozentrischen Kosmos
kann nur sinnstiftend sein.
Als die Neuzeit sich ankündigte und Francis
Bacon das empirische Naturverständnis als „unmethodisch“ kritisierte, begann
die Naturphilosophie eine vollkommen neue Epoche. Bacon stellte zuerst fest,
dass die Naturforschung seiner Zeit praktisch dem Zufall überlassen ist, indem
sie nur Erfahrungs- und Beobachtungsergebnisse anhäufte, ohne ein klares
Forschungsziel zu definieren und durch Experiment zu überprüfen. Das
Wissenschaftsprojekt soll nach ihm das konkrete Leben des Menschen verbessern
und dies kann nur erreicht werden, wenn bestimmte Lebensbereiche durch gezielt
definierte Experimente geforscht werden. Mit der Verbindung von gezielt
gebautem Experiment und mathematischer Formulierung der Ergebnisse brachte
Galilei den klaren Aspekt der neuzeitlichen Naturwissenschaft auf den Punkt.
Indem er die Gravitationsbeschleunigung einer Kugel durch eine gekippte Ebene
reduzierte, ermöglichte er eine genaue Beobachtung und Messung, um dann eine
mathematische Beziehung zwischen Weg- und Zeitintervallen aufzustellen und
somit deren Gesetzmäßigkeit herauszustellen und apodiktisch zu beweisen.
Galilei half mit seiner Vorgehensweise der Menschheit endgültig, ein bis dahin
beispielloses wissenschaftliches Naturforschungsabenteuer zu gründen. Die
Schlüsselrolle in der Etablierung neuzeitlicher Naturwissenschaft spielte
zuerst der Experimentbegriff, indem er den „Teufelskreis“ der alten
„wissenschaftlichen“ Spekulationen durchbrach und den Weg von nun an für eine
rasante Beschleunigung der „Wissenschaftlichung“ ebnete, die dann in einer
geschichtlich relativ sehr kurzen Zeit die Welt radikal veränderte, da der
Wissenserwerb v.a. durch Experiment
technisch (in nützliche Artefakte) umsetzbar wurde. Zusammengefasst kann die
Neuzeit durch seinen neuen Naturbegriff charakterisiert werden, der wiederum
als neue Naturwissenschaft definiert werden kann und diese als eine
Naturgrundlagen-forschung verstanden werden kann, die die „Quantitäten“ eines
Naturbereiches im Experiment messen und womöglich deren Gesetzmäßigkeiten
mathematisch auffassen kann. Mit anderen Worten: Die Natur muss im Experiment
modellhaft zerlegt, reduziert, isoliert, quantifiziert, beherrscht und
überprüft werden und möglichst mit Mathematik als Gesetze formuliert werden.
Dieses Verständnis der Natur ist offensichtlich relational, denn nur noch
regelhafte Zusammenhänge (Naturgesetze) zwischen messbaren Quantitäten zählen,
die aristotelische teleologische Frage nach dem Wesen bzw. den wesentlichen Eigenschaften
der Naturdinge ist somit gebannt mit aller Sinnstiftung und Lebensorientierung
für Menschen, die damit mal verbunden waren.
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