J. J. Rousseau unterzieht den
neuzeitlichen Kulturoptimismus einer harten Kritik. Auf die Frage, ob die
kulturellen Errungenschaften den Menschen zu mehr Freiheit und bessere Moral
führen, gibt er - gegen den damaligen verbreiteten Kulturoptimismus - eine negative
Antwort. Bei seiner Behandlung dieser Frage, geht er von einem natürlichen
Zustand aus, wobei die Menschen unter „natürlicher Ordnung“ miteinander frei
leben und sich aus Selbstliebe stammendem Mitleid gegenseitig unterstützen. Mit
zivilisatorischen Entwicklungen (Sprache, Kunst, Wissenschaft, Technik) wurden
zwar viele Schwierigkeiten des Lebens beherrscht, aber entstanden auch
Privateigentum und Aufteilung der Arbeit, wobei sich die Kluft zwischen Reichen
und Armen immer größer wird und damit setzen sich Ungleichheit und
Ungerechtigkeit zwischen Menschen durch. Die Selbstliebe wandelt sich in
Selbstsucht und Besitzgier, woraus sich Unzufriedenheit, Unglück und Heuchelei
in der Gesellschaft ergeben. Die Kulturentwicklung zieht somit mehr „künstliche
Ordnung“ nach sich, also Gesetze und Konventionen, wonach sich der Mensch
orientieren muss. Die Anpassung an dieser Zwangssituation betrifft vor allen
die Armen, die sich letztendlich damit begnügen müssen, den Reichen zu dienen
oder bei denen „schutzlos“ zu arbeiten, denn die Gesetzte sind vorwiegend für
die Vermögenden und deren Schutz gemacht, für die Armen sind sie eher hindernd
und unterdrückend.
Trotzdem wollte
Rousseau mit dieser tiefgreifenden Kritik nicht dazu aufrufen, in die „natürliche Gesellschaft“
zurückzukehren, sondern eher das Bewusstsein dafür schärfen und den Weg zu
seinem auf dem Gemeinwillen aller Gesellschaftsmitglieder basierten
„Gesellschaftsvertrag“ ebnen und somit zu der freien und gerechten
Gesellschaft, wo nur noch der Rechtsstaat herrscht. Mit seiner Theorie zum
Gesellschaftsvertrag (fr. Contrat social, 1762) als Ausdruck der
Volkssouveränität hat Rousseau einen der wichtigsten Ecksteine des modernen
Rechtsstaats gelegt.
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