Das mechanistische Weltbild der Neuzeit, das
durch die Metapher "Maschine" bzw. "Uhrwerk" als
Erklärungsmodell natürlicher Vorgänge, hat sich in allen
Wissen-schaftsbereichen verbreitet. Nicht nur die Physik wendet dieses
deterministische Modell an, sondern auch etwa Medizin, Biologie und sogar
Psychologie und Soziologie. Aber die Entwicklungen in den biologischen
Forschungsthemen führen bald zur Entdeckung von Phänomenen, die nicht oder nur
schwer lediglich durch die Mechanik zu erklären sind. Hierzu gehört die
Forschungsarbeit von Hans Driesch am Seeigelei, wonach hervorgeht, dass die
Entwicklung in einer Zelle "offen" ist, also über mehr
Formbildungsmöglichkeiten verfügt als in der Tat realisiert wird, was dem
mechanistischen Determinismus widerspricht. In Anlehnung an Aristoteles spricht
er von einer dynamischen "Lebenskraft", die am Werk ist und hinter unvorhersehbarer
Entfaltung in lebendigen Organismen steht und nicht eine berechenbare Mechanik.
Diese neue Wissenschaftsrichtung wurde als Vitalismus bekannt, der die
Besonderheit des Lebendigen im Vergleich zum Unlebendigen hervorhebt.
Die Einführung dieses neuen Naturprinzips
"Lebenskraft" führt zu einem Dualismus im Naturverständnis, nämlich
die Unterscheidung zwischen einer physikalischer Kausalität (Determinismus:
Ursache => Wirkung) für unbelebte Materie und einer biologischen Kausalität
("Lebenskraft": Vielfältigkeit unvorhersehbarer Entfaltungs-möglichkeiten)
für alles Lebendige.
Es war John Scott Haldane, der
diesen Dualismus als unhaltbar kritisierte, indem er zuerst anmerkte, dass die
physikalischen Gesetze auch in den lebendigen Organismen gelten. Um die
Vereinbarkeit der beiden Kausalitäten zu erreichen, geht er davon aus, dass die
Biologie als umfassendere Wissenschaft gilt, wobei die Physik nur ein
Spezialfall davon anzusehen ist. Somit hat Haldane einen holistischen Ansatz
entdeckt, der die Einseitigkeit des Mechanismus und des Vitalismus überwindet
hin zu einer ganzheitlichen Weltsicht der Natur. Der Mechanismus geht
reduktionistisch vor, indem er die lebendigen Organismen in sein
"Maschinenmodell" zu gießen versuchte. Der Vitalismus hingegen
schlägt den umgekehrten Weg ein und bemühte sich das Physikalische aus dem
Biologischen abzuleiten. Der Holismus (gr. "holon" = das Ganze) ist
eine Weltperspektive, die sich gegen das mechanistische
Wirklichkeitsverständnis und seinen ständigen Hang, alles in geringsten
Bestandteile zerlegen zu wollen richtet und sodann die These vertritt, die
Teile sind eher vom Ganzen her zu verstehen und nicht umgekehrt, also das Ganze
von seinen Elementen. Der Holismus geht von einer organizistischen Natursicht
aus, indem er den "Organismus" als Ganzheit für ein Modell der
Wirklichkeitserklärung ansieht und daher die ganze Natur als ein
selbstorganisiertes Lebewesen versteht. Es geht beim Holismus um ein neues
Paradigma. Wenn der Mechanismus die "Maschine" als Vorbild
betrachtet, um die Natur zu erklären, hält der Holismus stattdessen die
Organismen als in sich geschlossene Ganzheiten für seine Leitmotive in Sachen
Naturerklärung.
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