Die Naturphilosophie bei Platon und
Aristoteles beschäftigt sich mit der Klärung der Grundprinzipien der
natürlichen Wirklichkeit.
Platon stellt zuerst fest, dass die
veränderliche Welt, die wir sinnlich wahrnehmen nur eine trügerische Welt bzw.
ein Abbild einer idealen Welt ist, die allein die wahre Wirklichkeit darstellt.
Diese Ideenwelt ordnet jedem konkreten Seiende eine ewige, unveränderliche „Idee“
zu, die sein wahres und vollkommenes Sein verkörpert. Diese Unterscheidung
zwischen der konkreten, sinnwahrnehmbaren Welt und einer „Ideenwelt“
veranschaulicht Platon mithilfe seiner berühmten Allegorie von dem
"Höhlengleichnis". Er konstruiert seine ideale Welt nach dem Vorbild
der Mathematik, v.a. der Geometrie, wobei die geometrischen Objekte wie etwa Kreis
oder Gerade nur ideal vorzustellen sind, um damit rechnen zu können, denn nur „Ideen“
dieser mathematischen Objekte sind wahr und vollkommen, ein Kreis oder Gerade
inWirklichkeit hingegen nur Abbilder, also angenäherte und unvollkommene
Objekte sind. Platons Naturphilosophie bemüht sich die idealen Grundlagen der
konkreten Welt zu präsentieren, indem er den Blick eher auf die
Ordnungsvernünftigkeit der Wirklichkeit lenkt als auf ihre sinnlich
wahrnehmbaren Eigenschaften wie etwa Bewegung. Die Ideenwelt ist statisch und
in der Ordnung ruhend, wobei die konkrete Welt der wirklichen Dinge mit Bewegung
und Änderung gekennzeichnet, alsochaotisch und unzuverlässig ist. Diese formale
Sichtweise natürlicher Strukturen ermöglicht Platon der sinnlichen Welt eine ideale
Welt gegenüberzustellen. Da Mathematik für Platon eine maßgebende Rolle spielt,
strebt er eine mathematische Naturbeherrschung (und nimmt sie übrigens der
Neuzeit vorweg) auf zweierlei Methoden: „[...] zum einen über das
Konstruktionsverfahren, das sich den formalen, gesetzmäßigen Beziehungen der
Weltkörper untereinander zuwendet, zum anderen über das Reduktionsverfahren,
das die materiellen Weltkörper selbst auf mathematische Prinzipien reduziert.“
(1)
Des Weiteren hat die platonische
Naturphilosophie eine andere Dimension in Bezug auf die Entstehung der
konkreten Wirklichkeit aus der idealen Welt, nämlich der Entwurf eines
mythischen Bildes, wonach diese Schöpfung als Handwerk eines Schöpfergottes
bzw. eines Demiurgen interpretiert ist. Platon bleibt in der Tradition der
Antike und sieht diese Schöpfung nicht als eine Kreation aus dem Nichts an (2),
sondern als eine Überführung eines chaotischen Standes in eine Ordnung, die der
Vernunft entspricht. Platon geht weiter und hält den Kosmos als ein lebendiges
Ganzes, das von einem vernünftigen Geistes ("Weltseele") regiert und
bewegt ist.
Der Philosoph des Werdens Aristoteles geht
anders vor als sein Lehrer Platon, indem er eher die Erfahrungswirklichkeit
fokussiert, die nach ihm ihre Ursachen (Grundprinzipien) in sich selbst trägt.
Sein Naturverständnis entspringt dem Modell des Lebendigen, da er durch die
Medizin seiner Zeit sehr beeinflusst war. Er beobachtet die lebendige Natur,
die sich nach intrinsischem Antrieb bewegt. Er leitet daraus seinen Grundgedanken
der Teleologie (Zielgerichtetheit) ab, der als Basis seiner Naturphilosophie
wird. Nicht eine Konstruktion nach mathematischem Plan bringt ein Naturseiende
hervor wie bei Platon, sondern dieses Seiende enthält sein Entwicklungsziel
keimhaft in sich, wonach es sich bewegt und entfaltet, um das zu werden, was es
endlich ist. „Während Platon ein technomorphes Naturmodell präferiert,
favorisiert Aristoteles aufgrund seiner Herkunft als Arzt und aufgrund seiner
größeren Empirie- und Praxisnähe ein Organizistisches, das die Schaffens- und
Wirkkraft der Natur betont.“ (3)
Aristoteles beschränkt sein teleologisches
Naturverständnis nicht auf das organische Lebendige, sondern erweitert es auf
die anorganischen Seienden wie Steine beispielsweise, indem er postuliert, dass
ein fallender Stein auch sein Ziel anstrebt, nämlich seinen "natürlichen
bzw. wesensgemäßen Ort". Es geht hier nicht um ein Naturverständnis wie
bei Newton in der Neuzeit (viel später), der das Fallen eines Objekts eher als
Ergebnis einer wirkenden „Ziehkraft“ der Erde ansieht (Gravitations-gesetz; der
Gesetzbegriff selbst ist Erfindung der Neuzeit), sondern dass, die fallenden
Objekte die Eigenschaft des „Fallens“ in sich tragen, weil sie nach Aristoteles
stets zu ihrem natürlichen Ort (wo sie naturgemäß hingehören) zurückstreben
ähnlich einer Pflanze, die ihr „Entfaltungsprogramm“ (Bewegung) in sich selbst
enthält. Die Teleologie ist für Aristoteles das innere Prinzip des Werdens für
lebhafte (organische) und leblose (rein materielle) Dinge.
Literatur:
(1): Gloy
(1998), S. 239
(2): GLOY
(1998), S. 237f.
"Da die antike keine Schöpfung aus dem Nichts kennt, sondern
nur einen immerwährenden,
unentstandenen und unvergänglichen
Kosmos, [...]"
(3): Gloy (1998), S. 239
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