28.09.2014

Die Hauptunterschiede der Naturphilosophie bei Platon und Aristoteles



Die Naturphilosophie bei Platon und Aristoteles beschäftigt sich mit der Klärung der Grundprinzipien der natürlichen Wirklichkeit.

Platon stellt zuerst fest, dass die veränderliche Welt, die wir sinnlich wahrnehmen nur eine trügerische Welt bzw. ein Abbild einer idealen Welt ist, die allein die wahre Wirklichkeit darstellt. Diese Ideenwelt ordnet jedem konkreten Seiende eine ewige, unveränderliche „Idee“ zu, die sein wahres und vollkommenes Sein verkörpert. Diese Unterscheidung zwischen der konkreten, sinnwahrnehmbaren Welt und einer „Ideenwelt“ veranschaulicht Platon mithilfe seiner berühmten Allegorie von dem "Höhlengleichnis". Er konstruiert seine ideale Welt nach dem Vorbild der Mathematik, v.a. der Geometrie, wobei die geometrischen Objekte wie etwa Kreis oder Gerade nur ideal vorzustellen sind, um damit rechnen zu können, denn nur „Ideen“ dieser mathematischen Objekte sind wahr und vollkommen, ein Kreis oder Gerade inWirklichkeit hingegen nur Abbilder, also angenäherte und unvollkommene Objekte sind. Platons Naturphilosophie bemüht sich die idealen Grundlagen der konkreten Welt zu präsentieren, indem er den Blick eher auf die Ordnungsvernünftigkeit der Wirklichkeit lenkt als auf ihre sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften wie etwa Bewegung. Die Ideenwelt ist statisch und in der Ordnung ruhend, wobei die konkrete Welt der wirklichen Dinge mit Bewegung und Änderung gekennzeichnet, alsochaotisch und unzuverlässig ist. Diese formale Sichtweise natürlicher Strukturen ermöglicht Platon der sinnlichen Welt eine ideale Welt gegenüberzustellen. Da Mathematik für Platon eine maßgebende Rolle spielt, strebt er eine mathematische Naturbeherrschung (und nimmt sie übrigens der Neuzeit vorweg) auf zweierlei Methoden: „[...] zum einen über das Konstruktionsverfahren, das sich den formalen, gesetzmäßigen Beziehungen der Weltkörper untereinander zuwendet, zum anderen über das Reduktionsverfahren, das die materiellen Weltkörper selbst auf mathematische Prinzipien reduziert.“ (1)

Des Weiteren hat die platonische Naturphilosophie eine andere Dimension in Bezug auf die Entstehung der konkreten Wirklichkeit aus der idealen Welt, nämlich der Entwurf eines mythischen Bildes, wonach diese Schöpfung als Handwerk eines Schöpfergottes bzw. eines Demiurgen interpretiert ist. Platon bleibt in der Tradition der Antike und sieht diese Schöpfung nicht als eine Kreation aus dem Nichts an (2), sondern als eine Überführung eines chaotischen Standes in eine Ordnung, die der Vernunft entspricht. Platon geht weiter und hält den Kosmos als ein lebendiges Ganzes, das von einem vernünftigen Geistes ("Weltseele") regiert und bewegt ist. 

Der Philosoph des Werdens Aristoteles geht anders vor als sein Lehrer Platon, indem er eher die Erfahrungswirklichkeit fokussiert, die nach ihm ihre Ursachen (Grundprinzipien) in sich selbst trägt. Sein Naturverständnis entspringt dem Modell des Lebendigen, da er durch die Medizin seiner Zeit sehr beeinflusst war. Er beobachtet die lebendige Natur, die sich nach intrinsischem Antrieb bewegt. Er leitet daraus seinen Grundgedanken der Teleologie (Zielgerichtetheit) ab, der als Basis seiner Naturphilosophie wird. Nicht eine Konstruktion nach mathematischem Plan bringt ein Naturseiende hervor wie bei Platon, sondern dieses Seiende enthält sein Entwicklungsziel keimhaft in sich, wonach es sich bewegt und entfaltet, um das zu werden, was es endlich ist. „Während Platon ein technomorphes Naturmodell präferiert, favorisiert Aristoteles aufgrund seiner Herkunft als Arzt und aufgrund seiner größeren Empirie- und Praxisnähe ein Organizistisches, das die Schaffens- und Wirkkraft der Natur betont.“ (3)

Aristoteles beschränkt sein teleologisches Naturverständnis nicht auf das organische Lebendige, sondern erweitert es auf die anorganischen Seienden wie Steine beispielsweise, indem er postuliert, dass ein fallender Stein auch sein Ziel anstrebt, nämlich seinen "natürlichen bzw. wesensgemäßen Ort". Es geht hier nicht um ein Naturverständnis wie bei Newton in der Neuzeit (viel später), der das Fallen eines Objekts eher als Ergebnis einer wirkenden „Ziehkraft“ der Erde ansieht (Gravitations-gesetz; der Gesetzbegriff selbst ist Erfindung der Neuzeit), sondern dass, die fallenden Objekte die Eigenschaft des „Fallens“ in sich tragen, weil sie nach Aristoteles stets zu ihrem natürlichen Ort (wo sie naturgemäß hingehören) zurückstreben ähnlich einer Pflanze, die ihr „Entfaltungsprogramm“ (Bewegung) in sich selbst enthält. Die Teleologie ist für Aristoteles das innere Prinzip des Werdens für lebhafte (organische) und leblose (rein materielle) Dinge.    


Literatur:

(1): Gloy (1998), S. 239

(2): GLOY (1998), S. 237f.

"Da die antike keine Schöpfung aus dem Nichts kennt, sondern nur einen immerwährenden, unentstandenen und unvergänglichen Kosmos, [...]"

(3): Gloy (1998), S. 239


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