A)
Platon
Von der Antike bis heute ist die
Charakterisierung aller Dimensionen des Menschseins problematisch; eine
Tatsache, die sich in dem Entwicklungsversuch von verschiedenen
Schichtenmodellen widerspiegelt.
Das erste Schichtenmodell, das bis
heute noch anhaltente Einflüsse ausübt, stammt von Platon. Basierend auf der
alten Idee der Seelenwanderung, postuliert er die Unsterblichkeit der Seele,
die sich nach ihm an die unwandelbare Welt der Ideen (Ideenwelt) erinnert und
in der wandelbaren Erscheinungswelt lebt und gefangen bleibt bis der Tod des
Körpers sie davon auslöst bzw. befreit. Platons berühmte Allegorie von dem
Wagen, der durch zwei widerstrebende Pferde gezogen und einen Wagenlenker
geleitet ist, deutet jeweilig auf die drei Seelenschichten bei dem Menschen
hin, nämlich Begierde, Mut und Vernunft, wobei Platon der letzten ein
Herrschaftsverhältnis zu den anderen zuspricht und damit ihr die Aufgabe
zuordnet, das Gleichgewicht zwischen den widerstreitenden Kräften herzustellen.
Er hat weiterhin seine Staatstheorie auf diesem Schichtenmodell konstruiert,
indem er die Bürger in drei Schichten aufteilt. Die untere Schicht besteht aus
denjenigen (Bauern, Handwerkern, …usw.), die für die Gesellschaft alles
produzieren, was sie braucht. Die Zwischenschicht bildet die Wächter, denen die
Aufgabe der Verteidigung und Aufrechterhaltung der Ordnung obliegt. Und
letztens die obere Schicht der Philosophen kümmert sich um die Politik und die
Gesetzgebung. Diese platonische Utopie kann dem Spannungsverhältnis zwischen
den verschieden Dimensionen des Menschseins nicht gerecht sein, wie noch viele
andere Schichtenmodelle zeigen. Man wirft Platon vor u.a., dass er der erste
Theoretiker eines totalitären politischen Systems war, so Karl Popper. Platon
hat darüber hinaus die Theologie im Christentum und dann später im Islam beeinflusst,
und diese wiederum sind mit vielen unmenschlichen Taten gebunden wie etwa der
mittelalterlichen Inquisition oder den Kriegen unter Religionsflaggen von
früher und heute.
Dass Platon auch die legendären und
lehrreichen Dialoge von Sokrates so eloquent und fesselnd für die Menschheit
verewigt hat, zählt jedenfalls für ihn. Andere denken sogar, dass die ganze
abendländische Philosophie nur Glossen am Rande Platons Philosophie.
B)
Descartes
Die neuzeitliche Aufklärung bringt
u.a. Descartes auf den Plan, der mit seinem dualistischen Schichtenmodell bis
in die Gegenwart auswirkt. Die Wirklichkeit des Menschseins nach ihm lässt sich
in zwei Entitäten aufteilen, nämlich eine materielle (ausgedehnte Substanz bzw.
res extensa) und eine immaterielle (denkfähige Substanz bzw. res cogitans), was
anthropologisch gesprochen nichts anders bedeutet als den Körper und den Geist.
Wie üblich stellt sich die Frage der Wechselwirkung bei einem Dualismus, der einen
Parallelismus (strenge Separation) zwischen Körper und Geist voraussetzt,
nämlich wie wirkt der Geist auf die Körperwelt aus und umgekehrt. Der
neuzeitliche Mechanismus geht davon aus, dass jede Köperbewegung nur durch eine
physikalische Ursache, also durch einen anderen Körperanstoß betätigt sein
kann. Daher wird eine Interaktion zwischen Geist (als nicht-materieller
Entität) und menschlichem Körper schwer denkbar. Der Okkasionalismus etwa nimmt
Gott als Vermittler zwischen den beiden an, was heute kaum noch vertreten wird.
Im Vorbild der Neuzeit führt die dualistische Unterscheidung von Descartes u.a.
zur Betrachtung des menschlichen Körpers als eine Maschine, was wiederum seine
mechanistische Analyse ermöglicht und der Medizin einen befreienden Schwung
gegen alle mittelalterlichen Tabuisierungen (wie etwa Sezessionsverbot des
Leichnams) verschafft.
Eine weitere wissenschaftlich sehr
interessante Entwicklung heute, die sich auch von der neuzeitlichen
Maschinenmetaphorik inspiriert, besteht in den neurophysiologischen Forschungen
und insbesondere welcher, die sich speziell mit der sog. künstlichen
Intelligenz beschäftigt. Die Gehirnwissenschaftler leihen bei der Informatik
die Terminologien von „Hardware“ und „Software“ aus, um die jeweiligen
ähnlichen Funktionen von Gehirn und Bewusstsein darzustellen. Wenn die
Programmierung von Hardware durch Software erfolgt, kann man in ähnlicher Weise
von Körperprogrammierung durch den Geist sprechen? Die Beantwortung dieser
Frage ist noch umstritten, öffnet jedoch die Perspektive zu weiteren
Forschungen, die eine Bestimmung der Geistwirklichkeit immer näher kommen. Ob
Geistzustände nicht mehr als neurophysiologische Zustände sind oder doch
unterliegen geistige Funktionen eigenen Gesetzlichkeiten ist eine spannende Sache,
die Gehirnforschungen und deren Ergebnissen heute große Bedeutung verleiht.
C)
Sigmund Freud
Nachdem wir zwei Schichtenmodelle
gesehen haben, jeweils aus der Antike und der Neuzeit, widmen wir uns jetzt an
einem dritten Beispiel aus der modernen Zeit, nämlich dem Schichtenmodell von
Freud. Der Vater der Psychoanalyse entwirft ein dreiteiliges Schichtenmodell,
um das menschliche „psychologische Apparat“ zu beschreiben. Er unterscheidet
zwischen dem bewussten Leben und reserviert dafür den Begriff "Ich"
und dem unbewussten Triebleben - das übrigens nach ihm den größten Einfluss auf
den Menschen ausübt - und bezeichnet dies mit dem Begriff "Es". Es handelt sich hierzu um alle Triebe,
Bedürfnisse und Affekte, die den Menschen unwillentlich zum Handeln bewegen,
wie etwa Hunger, Sexualtrieb, Angst, Hass, Liebe, Neid, Verdrängtes usw. Und
schließlich kommt die oberste Stufe, die aus verinnerlichten Moralwerten,
Weltbildern und Erziehungskonditionierungen besteht und von Freud als
"Über-Ich" konzipiert ist. Diese Stufe übernimmt nach ihm eine
Überwachungsrolle, wie wir uns verhalten und kann als die „innere Stimme“ bzw.
„innerer Beobachter“ verstanden werden, der uns stets begleitet und unser
Handeln nach moralischen Vorstellungen beurteilt, wobei Handeln hier im
weitesten Sinne zu verstehen ist, nämlich als Tun oder Lassen, Sprechen oder
Schweigen. In diesem Stufenmodell ist das „Ich“ eine Mittelschicht zwischen der
breitesten und einflussreichen Schicht „Es“ und der obersten Schicht
„Über-Ich“. Und das bedeutet, wenn es darum geht, absichtlich und vernünftig zu
handeln, d. h. Handlungsmöglichkeiten logisch, rational, selbstkritisch und
nach bisherigen Erfahrungen abzuwägen, dann ist das „Ich“ am Werk.
Das Verhalten ist nach Freud durch den
unbewussten Konflikt zwischen den impulsiven Trieben des Unbewussten („Es“) und
den strengen Moralvorstellungen der höchsten Instanz („Über-Ich“) motiviert.
Das Schichtenmodell von Freud sieht - bildlich gesprochen - wie ein Bauwerk mit
drei Stocken aus, wobei der erste und größte Stock („Es“) einen dunklen
(„unkontrollierten“) Keller darstellt und das ganze Gebäude trägt, der zweite
Stock („Ich“) steht für die rationale Verwaltung und Sachbearbeitung und in dem
höchsten Stock („Über-Ich“) sitzt die moralische Autorität, die alles
überwachen und orientieren versucht.
Freud ist gleichermaßen vergöttert und
scharf kritisiert. Er wurde von vielen als großer Pionier und Mitbegründer der
Psychoanalyse und auf der gleichen Linie gesetzt wie etwa Kopernikus in der
Astronomie oder Darwin in der Biologie, denn die drei haben den Menschen aus
seiner „Heimat“ vertrieben: der erste hat ihm den Boden unter Füße „entzogen“
und „entblößt“ ihn als nichts mehr als einen kleinen mitrasenden „Punkt“ auf
einem kleinen Planeten namens Erde am Rande einer Riesengalaxie unter vielen.
Der zweite nahm ihm seine stolze vermeinte göttliche Herkunft und warf ihn
zurück zur Mutternatur als nicht mehr als einen „Nachwuchs“ eines nicht
besonders „schönen“ Tiers, nämlich des Schimpansen. Und als das nicht genug
war, kam Freund hinzu und raubte dem Menschen den letzten Versteck, nämlich
sich selbst, indem er zeigte, das der Mensch nicht mal Herr „Zuhause“, also in
sich selbst, sondern eher selber durch ein dunkles unbewusstes „Steuergerät“,
das sog. „Es“ bzw. das Unbewusste zum höchsten Teil beherrscht ist.
Zugleich wird Freund von vielen
kritisiert. Sein Freund Carl Gustav Jung z. B. hält seine Denkweise für
unflexibel und meint, wenn Freud einen Gedanken mal formuliert hat, will er den
nicht mehr infrage stellen und Jung sieht dies darin begründet, dass sein
Freund nicht in Philosophie ausgebildet ist, wobei er selbst an Kants Denken
geschult ist und kann immer wieder alles im Zweifel zeihen (1).
Gille Deleuze kritisiert bei Freud die Tatsache, dass der letzte und
alle Psychoanalytiker auch das „Unbewusste“ stets für ein Theater halten, wo
die gleichen Stücke ewig gespielt werden (z. B. über Ödipus-Komplex), hingegen
hält Deleuze das „Unbewusste“ eher für eine Art „Fabrik“, wo ständig Neues
produziert wird. Deleuze und Félix Guattari sind allgemein gegen die Konzeption
der Freud’schen Psychoanalyse und bieten stattdessen ein neues Konzept des
„Unbewussten“, basiert auf drei Eckpfeilern: Den Mannigfaltigkeiten des
Unbewussten, dem Delirium als Welt- und nicht als Familiendelirium (nach ihm
deliriert man nicht z. B. über Vater, Mutter, Kindheit oder
Privatangelegenheiten allgemein, sondern über etwas Universelles, Kosmisches,
beispielsweise über das Ende der Welt, über seinen Stamm, über Traditionen, usw.)
und letztens der Betrachtung des „Unbewussten“ als Maschine oder
Produktionsfabrik und nicht als „Theater“. Dieses Thema wird hier nicht näher
eingegangen (2). Ein Dritter (Michel Onfray) wirft (sehr polemisch) Freud
Manipulation, Fälschungen von wissenschaftlichen Arbeiten sowie Fabulieren von
Heilungsgeschichten vor und dass er darüber hinaus nur reiche Patienten
analysieren wollte, weil er von denen unverhältnismäßig viel Geld verlangen
konnte (3).
Literatur
_____
(1):
Sigmund
Freud - Die Erfindung der Psychoanalyse (TV Arte, Doku. 1997)
(2): Anti-Ödipus, Gille Deleuze,
Félix Guattari. Auch Abécédaires Deleuze (DVD)
(3): Le crépuscule d’une idole. Michel Onfray
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