„Der Mensch ist dem
Menschen problematisch geworden!“ (1)
Die philosophische
Anthropologie kann als die intellektuelle Bemühung der Menschen insbesondere
seit dem Anfang des 20.Jahrhunderts, diese Problematik zu beleuchten. Plessner
ist einer der Vertreter dieser philosophischen Richtung, der das Menschsein
dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch weltoffen ist in Abgrenzung zur
Tierwelt, die an ihre unmittelbare Umwelt instinktgebunden bleibt.
Plessner definiert den
Begriff „Exzentrität“ des Menschen, um die Reflexivität bei dem letzten als
besondere Eigenschaft hervorzuheben, die dem Menschen ermöglicht, seinen
eigenen Standpunkt im Leben zu transzendieren und zu thematisieren. Weiterhin
entwirft Plessner den Begriff „Positionalität“, um die Tatsache zum Ausdruck zu
bringen, dass der Mensch zugleich wie alle Lebewesen auch durch seinen
Standpunkt in der unmittelbaren Umwelt gefangen ist. Somit ist der Mensch einer
„exzentrischen Positionalität“ unterliegen, die nach Plessner den
Doppelcharakter des Menschseins kennzeichnet: Einerseits ist der Mensch
Reflexionsfähig, so dass er in der Lage ist, seine lebendige Wirklichkeit mit
Denken und Vorstellung zu überstreiten und anderseits dieser Wirklichkeit
aufgrund seiner Biologie gebunden bleibt wie jedes andere Lebewesen auch. Wenn
Schlegel davon ausgeht, das Menschsein durch zweierlei verschiedene Prinzipien
zu bestimmen ist, nämlich Biologie und Geistigkeit, will Gehlen von dem metaphysischen
Prinzip „Geistigkeit“ absehen, indem er erstens den Menschen wegen seiner
Instinktunsicherheit als „Mängelwesen“ charakterisiert und dann zweitens den
ganzen auf Geist basierenden Kulturbetrieb als Kompensationsversuch dieses
biologischen Mangels interpretiert. Gehlen stimmt hier mit Schoppenhauer
überein und könnte mit ihm sagen: „Wie
die Hand zum Greifen da ist, ist der Geist zum Begreifen da.“ Somit leitet
Gehlen die intrinsische Geistigkeit beim Menschen aus seiner Biologie ab, eben
aus der mangelhaften Biologie im Vergleich zum Tier.
Wie Schlegel und Gehlen,
unterstreicht Plessner seinerseits auch mit allem Druck den offenen Charakter
des Menschseins und sagt: „Die
eigentümliche Verbundenheit mit der praktischen Situation schließlich verbietet
der Philosophischen Anthropologie, den Menschen, wenn auch in der Fülle ‚aller‘
seiner Seinsdimensionen, auf das hin, was er eigentlich sein kann und soll, zu
formulieren oder zu definieren. Strukturformeln dürfen keinen
abschließend-theoretischen, sondern nur einen aufschließend-exponierenden Wert
beanspruchen.“ (2)
Bezogen auf seine
kennzeichnende Reflexivität, ist der Mensch nach Plessner „exzentrisch“. Jedoch
lässt sich diese „Exzentrität“ nur verstehen, wenn die „Positionalität“ des
Menschen in Betracht gezogen ist. In seiner Umwelt biologisch gebunden, aber
durch seine Geistigkeit beflügelt, bemüht sich der Mensch ständig diesem
„Schicksal“ des eigenen Standpunktes zu entkommen und sich zu transzendieren.
Der Doppelbegriff „exzentrische Positionalität“ hilft den Zerrissenheitsaspekt
des Menscheins zu beschreiben und führt zugleich zur Kenntnisnahme einer noch
radikaler Problematik der philosophischen Anthropologie. Die menschliche
Besonderheit "Reflexivität" führt zur "Exzentrität", was
nicht anders heißt als die "abenteuerliche" Weltoffenheit, also die
Nicht-Definierbarkeit apriori eines Lebenszwecks weder unter individueller
Hinsicht noch für die Menschheit als Gattung. Als die Menschen noch vom Kosmos
(altgr.: (Welt-)Ordnung) sprachen, sahen Philosophen in dem Menschen einen
Mikrokosmos an, und somit dachten, seine Stellung und Wesen abzuleiten.
Eberhard Simons sagt: "[...] Früher
in der Antike war die Welt Kosmos, im Mittelalter wurde sie zum Universum, in
der Neuzeit wurde sie zum Weltraum und jetzt ist das Weltall, das beinah ein
'Weltnichts' ist. Und im Weltall kann man nicht leben; da hat man kein Dach
über den Kopf; das ist aussetzend; da wird die Welt nicht mehr zu Heimat; da
gibt es keinen Himmel mehr und keine Erde; da gibt es keine Zeit, die den
Menschen führt [...]." (3)
Plessner bringt diese
radikale Problematik auf den Punkt: "Wo
keine Gewissheit eines Makrokosmos mehr besteht, hat der Gedanke des
Mikrokosmos keinen Boden und keine Wahrheit mehr. [...]
Wenn ihre alten metaphysischen und ontologischen Garantien nicht mehr
fraglos gelten, dann werden auch Menschheit und Menschlichkeit moralisch zum
Problem." (4)
Literatur
_____
(1): Abū Hayyān
al-Tawhīdī (Philosoph und Literat; 930-1023; Bagdad/Irak)
Quelle: Humanisme et Islam: Combats et
propositions. Mohammed Arkoun.
(Arabische Übersetzung:
1.Auflage, 1997, London).
(2): Plessner, Die
Aufgabe der philosophischen Anthropologie, S. 137f.
(3): Prof. Eberhard
Simons (* 9. Juli 1937 in Chemnitz; † 8. April 2005 in München)
(Video: BR TV ALPHA
Sendungen)
(4): Plessner, Die
Aufgabe der philosophischen Anthropologie, S. 136-141
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