Kant hat seine
Auffassung der"Aufklärung"insbesondere damit definiert, dass der
Mensch sich auf seinen Verstand verlassen muss: „Sapereaude! Habe Mut, dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
(1)
Weiterhin hat er
in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ eine klare Linie zwischen Metaphysik-
(inkl. Glauben-) und Wissensfragen gezogen. Nun ist der Mensch - meiner Ansicht
nach - auf sich selbst zurückgeworfen, nach dem er v.a. während des Mittelalters
sich mehr auf die "Offenbarungsreligionen" (also Gott) zählte. Die
großen Religionskritiker Feuerbach, Marx und Nietzsche, die nach Kant kamen, trieben
seine Aufklärung in Sachen Religion zum Äußersten. Feuerbach geht von dem
wesentlichen Unterschied zwischen Tier und Mensch aus, nämlich, dass nur dieser
ein Bewusstsein vom Unendlichen hat, um sein Religionsverständnis darzustellen.
Er sieht in dieses menschliche Bewusstsein nicht nur den Grund der Religion,
sondern auch seinen Gegenstand. Feuerbachs Ziel ist die Überführung alles
Religiösen ins Anthropologische, d.h. die Religion letztendlich als eine
authentische Dimension des Menschlichen zu „entblößen", also als reine
Produktion des menschlichen Bewusstseins, die nachträglich auf ein göttliches
Wesen projiziert wird. Aber in dieser äußerlichen Projektion sieht er das
Problem, dass sich der Mensch dadurch entfremdet. Die Sehnsüchte und Wünsche
beim Menschen sind der Beweis dafür, dass er in der Lage ist, über sein
sinnliches Wesen, seine Naturbedingtheit hinauszustreben. „Man kann nicht lieben, nicht wollen, nicht denken, ohne diese
Tätigkeiten als Vollkommenheiten zu empfinden.“ (2)
Für Feuerbach ist
die Religionswahrheit nicht anders als der Mensch selbst, d.h. der Ausdruck
seines unendlichen Wesens, wobei deren Unwahrheit hingegen darin liegt, dass er
sein Selbstbewusstsein durch Projektion auf ein unendliches Wesen verstellt.
Marx trat auf der geschichtlichen
Szene als der Philosoph, der die Welt verändern will, statt sie nur zu
interpretieren, wie - seiner Ansicht nach - die Vorgänger taten. Der junge Marx
entwickelt seine Religionskritik in Auseinandersetzung mit Feuerbach. Wenn
dieser die Religion lediglich als Schein des menschlichen Bewusstseins (als die
Wahrheit des Menschseins schlechthin) zu entlarven versucht, geht Marx noch
tiefer und hält das Bewusstsein selbst als Produkt des
materialistisch-ökonomischen Bedingungen, in denen die Menschen leben. Er wirft
Feuerbach vor, sich in philosophisches Theoriegebäude gefangen geblieben zu
sein und das konkrete Leben der Menschen nicht beachtet und daher keine
Gesellschaftsveränderung eingeleitet zu haben. Zwar sieht Marx auch in der
Kirsche eine Macht der Unterdrückung und Entfremdung der Menschen, die sie mit
jenseitiger Vertröstung vom gesellschaftlich-politischen Engagement fernhält,
kritisiert er aberzugleich die Religion als „Ideologie“, deren Basis in den
gesellschaftlichen Verhältnissen zu finden ist. „Feuerbach löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber
das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innenwohnendes
Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen
Verhältnisse. […]
Feuerbach sieht daher nicht, daß das ‚religiöse Gemüt’
selbst ein gesellschaftliches Produkt ist und daß das abstrakte Individuum, das
er analysiert, einer bestimmten Gesellschaftsform angehört.“ (3)
Der Philosoph der
Lebensbejahung Nietzsche ist der Religionskritiker, der sich einer religiösen
Sprache bedient (v.a. in seinem Werk: Also sprach Zarathustra), um gegen den
Theismus (Christentum in erster Stelle) so leidenschaftlich wie mehrschichtig
vorzugehen. Im Gegenteil zu allen Philosophen kann er mit seiner vieldeutigen
Sprache der Mehrdimensionalität und Fülle des Lebensgerecht werden, die mit der
Vernunft nie adäquat und systematisch zu erfassen wären. Die Lebendigkeit des
Geistes zeigt sich gerade durch seine kreative Fruchtbarkeit, die wiederum zum
Charakteristikum jeder Kritik metaphysischer Absicherungen, mit denen die
menschliche Schwäche konfrontiert werden soll.
Nietzsche verhöhnt
das Christentum als „Platonismus fürs Volk“ und zwar aus dem Hintergrund
seiner scharfen Metaphysik-Kritik allgemein, wobei er die „Welttrennung“ in
einer wahren "Platonischen Ideenwelt" und falschen "sinnlichen
Welt" verwirft und behauptet, dass die Verneinung des wirklichen Lebens
einerseits und der Glaube an einer ‚Hinterwelt‘ anderseits zum „Nihilismus“
führen.
Ein christlicher
Gottesbegriff, wonach alles Diesseitige verneint wird (als etwas, das angeblich
nicht dem wahren Sein angehörend) ist genauso eine sprachliche Illusion wie die
ganze Metaphysik, die noch auf Grammatikvorurteile fußt. Und so lässt er Zarathustra
sprechen: „Bleibt mir der Erde treu [...]
Lasst sie nicht davon fliegen vom Irdischen und mit den Flügeln gegen ewige
Wände schlagen! Ach, es gab immer so viel verflogene Tugend!“ (4)
Er vergleicht das
Christentum mit einer Art "Selbstmorde
der Vernunft." (5) und beschreibt es weiter so: „Der Christliche Glaube ist von Beginn an Opferung: Opferung aller
Freiheit, alles Stolzes, aller Selbstgewissheit des Geistes; zugleich
Verknechtung und Selbst-Verhöhnung, Selbst-Verstümmelung.“ (6)
Gegen jeden
Nihilismus hält er seine Philosophie der Bejahung des Lebendigen, des
Dionysischen (Dionysos: Rauschgott der Griechen), der kreativen Kraft des
Übermenschen. Er hält den aktuellen Menschen für etwas, das man überwinden
soll, hin zu dem neuen Menschen, dem Übermenschen: "Ich lehre euch den Übermenschen. Der Mensch
ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden?
Alle Wesen bisher schufen Etwas über sich hinaus [...]
Seht, ich lehre euch den Übermenschen! Der Übermensch ist
der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sein der Sinn der Erde! Ich
beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt Denen nicht,
welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es
wissen oder nicht. Verächter des Lebens sind es, Absterbende und selber
Vergiftete, denen die Erde müde ist: so mögen sie dahinfahren! Einst war der
Frevel an Gott der größte Frevel, aber Gott starb, und damit starben auch diese
Frevelhaften. An der Erde zu freveln ist jetzt das Furchtbarste und die
Eigenweide der Unerforschlichen höher zu achten, als den Sinn der Erde!" (7)
Nietzsche spricht hier für einen Menschen (Individuum wie
Gattung) aus, der des Irdischen treu bleibt und sich seiner schöpferischen Kraft
bedient, um über sich hinaus zuwachsen, sich weiter zu entwickeln und zugleich sich
von den fesselnden und behindernden Kräften der (von ihm als "Hinterweltler"
verhöhnten) Religiösen und Metaphysiker zu befreien.
(1): Immanuel
Kant, "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?"
in: "Berlinische Monatsschrift", Dezember-Heft
1784, S. 481-494.
(2): Feuerbach, "Das
Wesen des Christentums" S. 43f.
(3): Marx, "Thesen
über Feuerbach", GPTD VII, S. 264f.
(4): Nietzsche, "Also
sprach Zarathustra", Fischer Taschenbuch Verlag, S. 87
(5): Nietzsche, "Jenseits
von Gut und Böse", Kritische
Studienausgabe 5, S.66
(6): ebd.
(7): Nietzsche, "Also
sprach Zarathustra", Fischer Taschenbuch Verlag, S. 13/14