Das Gottesverständnis der auf Offenbarung basierten
Religionen gerät mit der neuzeitlichen Aufklärung in kritische
Auseinandersetzungen. Die Neuzeit betont in steigenden Maßen die Geltung und
"Bevormundung" der Vernunft in allen Bereichen des Lebens auch in
Sachen der Moral und Religion. In seiner Antwortschrift über die berühmte Frage
"Was ist Aufklärung?" fordert Kant den Menschen auf, seinen eigenen
Verstand einzusetzen und sich nicht von anderen bevormunden zu lassen. Der
nächste Schnitt seiner Beantwortung zeigt (in Angesicht der gegenwärtigen
fanatischen Ereignisse, der Medienmanipulation, der Politikverdrossenheit, des
Konsumwahns, der Umweltproblematik, usw.) wie aktuell diese Aufforderung immer
noch ist: "AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines
Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes,
sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines
andern zu bedienen. Sapereaude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. [...] Es ist so bequem,
unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen
Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät
beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht
nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche
Geschäft schon für mich übernehmen. [...] Es ist also für jeden einzelnen
Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit
herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen und ist vorderhand wirklich
unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den
Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge
eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind
die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit." (1)
Dieser
Aufklärungsprozess beginnt in der (oder eher gründet die) Neuzeit und hat v.a.
als Thema die Herrschaft der Kirche in der Gesellschaft und die Säkularisierung
dieser. Es gibt Denker, die das Gottesverständnis offenbarungsbezogener
Religion nicht für vernunftgerecht halten, indem sie viele religiöse
Bestandteile wie etwa die Wunder für vernunftwidrig ansehen. Ein göttliches
Prinzip hinter der Schöpfung muss nach manchen Philosophen nicht unbedingt als
Offenbarung verstanden werden, sondern man kann den Glauben an Gott aus
Vernunftgründen herleiten. Daher wird hier von Vernunftreligionen gesprochen.
Von diesem Vernunftglauben gibt es verschiedene philosophische Vorstellungen,
darunter der Deismus. Ein Deist glaubt, dass Gott zwar das Universum
ursprünglich geschaffen hat, aber dann nicht mehr darin eingreift oder das
Geschehen in unserer Welt beeinflusst. Im Gegenteil dazu hält der Theismus Gott
jederzeit für das mögliche Kausalprinzip aller Geschehnisse in der Welt. Hierzu
Diderot: "Der Deist ... glaubt an Gott leugnet aber jede Offenbarung;
der Theist hingegen nimmt bereitwillig die Offenbarung an und gibt die Existenz
Gottes zu." (2)
Der Deismus geht
von einer Volltrennung zwischen Gott und Welt aus, d. h. die Welt
"läuft" völlig unabhängig von Gottes Eingreifen weiter ab, hingegen
postuliert der Pantheismus die Einheit von Gott und Welt, d. h. alles was ist
oder geschieht ist letztendlich "göttlich" oder Ausdruck "göttlichen"
Willens, also Gott und Sein sind eins. Ein Deist ist somit ein
Religionsphilosoph, der das Göttliche vernünftig zu begründen versucht, ohne
dafür eine Offenbarung oder Glaubensaussagen einer bestimmten Religion
anzunehmen. Der Deismus postuliert, dass Gott als abstraktes Wesen eine Ursache
der Weltschöpfung darstellt, jedoch akzeptiert er die Idee nicht, dass Gott das
konkrete Handeln in der Welt in irgendeine Weise lenkt. Ein Deist versucht
eigentlich seine Vernunftreligion mit dem modernen wissenschaftlichen Weltbild
zu vereinbaren, indem er Gott als transzendierte Ursache der Welt annimmt, die
aber im Nachhinein - seiner Ansicht nach - selbständig und einzig nach eigenen
Gesetzmäßigkeiten (im Vorbild eines Uhrwerks) funktioniert. Weiterhin erkennt
ein Deist der Religion vorwiegend eine legitimierende Funktion von sittlichen
und gesellschaftlichen Ordnungen an.
"Die
Tendenz der Deisten pflegt dahin zu gehen, den Vorgang der natürlichen Religion
zu behaupten und für die natürliche Vernunft die Fähigkeit zur Erfüllung der
sittlichen Gebote des Urhebers der Natur und damit zur Erlangung des göttlichen
Wohlgefallens in Anspruch zu nehmen. Die Offenbarung gilt ihnen teils als
hilfreich und teils als schlicht entbehrlich. Ihre Beglaubigung durch Wunderberichte
verdient kein Vertrauen: entweder lassen sich scheinbar natürliche Vorkommnisse
natürlich erklären, oder die Berichterstatter täuschen uns - sofern sie sich
selber nicht täuschen." (3)
Literatur
(1): Immanuel Kant, "Beantwortung der Frage: Was ist
Aufklärung?"
in: "Berlinische Monatsschrift", Dezember-Heft
1784, S. 481-494.(2): zit. n.: Artikel "Diderot", in: Weger (1979), S. 68
(3): R. Specht, in: GPTD V, S. 342
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