Der Gottesbegriff
erfuhr philosophiegeschichtlich durch Leibniz’ Theodizee anscheinend den
letzten (und zugleich eleganten) Grundlegungsversuch. Kant hat durch seine
Metaphysik-Kritik allgemein (in: Kritik der reinen Vernunft) und seine
Religionsphilosophie (in: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen
Vernunft) allen Beweisversuchen des Gottesbegriffs sozusagen „den Boden unter
den Füßen entzogen“, indem er erstens gezeigt hat, dass das Wissen auf die
empirische Welt eingeschränkt werden muss, denn Begriffsanalyse allein führt
notwendigerweise zu Spekulationen, „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne
Begriffe sind blind.“ (1). Und zweitens hat er den Glauben der praktischen
Vernunft zugeordnet, also, dem Normativen (Ethik) nicht dem Deskriptiven
(Wissen), also die Religion lediglich in seiner Moralfunktion bestätigt. Hierzu
Kant:
“Ich kann also Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit zum Behuf des notwendigen praktischen Gebrauchs meiner Vernunft
nicht einmal annehmen, wenn ich nicht der spekulativen Vernunft zugleich ihre
Anmaßung überschwenglicher Einsichten benehme […] Ich mußte also das Wissen
aufheben, um zum Glauben Platz zu machen.“ (2)
Meiner Ansicht
nach, alle Denker und Nachfolger Kants, die sich mit dem Glauben
auseinandergesetzt haben, führen mehr oder minder die Kantische kritische
Haltung fort, auch wenn sie von dessen jeweiligen Zeithorizont ausgehen und
damit Ihren Gedanken eine Art „Zeitkolorit“ bzw. Spezifität geben. Auch Hans
Jonas gehört zu diesen kritischen Stimmen, die den Glauben an einen
Allmächtigen Schöpfergott unter ihre „Zeitlupe“ - in einem doppelten Sinne -
untersucht haben. Einerseits geht ihre kritische Auseinandersetzung von einer
bestimmen Zeitperspektive und damit deren zeitlichen Ereignissen aus,
anderseits ist ihre Kritik eine Art „Verlangsamung“ der Zeit, als würden sie
uns anschreien: „Halt! Schauen wir doch, was ist hier geschehen, bevor wir
weiterlaufen?“. Für Jonas ist das Ereignisdas Grauen namens Auschwitz und seine
Kritik orientiert sich an der Frage, ob Glauben (v.a. im jüdisch-christlichen
Sinne) nach diesem Ereignis noch möglich ist. Für ihn „verblasst“ schlagartig angesichts von Auschwitz jede
Rechtfertigung eines absolut guten Gottes, der dazu noch Allmächtig sein will.
Jonas bezeichnet ihn als einen Gott, der eher nicht kann, wenn es darum geht
aus „Güte und Allmacht“ ein Gräuel zu verhindern. Um seine These zu
unterstützen, kritisiert er diesen Begriff eines Allmächtigen, indem er ihn als
in sich widersprüchlich und nicht-sagend von Logik her zu beleuchten versucht.
Das Wort „Macht“ nach Jonas unterstellt eine Beziehung zwischen mindestens
zwei, die keine Gleichheit sein kann, sondern vielmehr eine Ungleichheit, eine
(Macht-)Hierarchie zwischen den Betroffenen, was immer noch heißt, alle haben
etwas Macht auch in verschiedenen Graden. Wenn es aber um eine „absolute Macht“
(Allmacht) handelt, dann ist die „ganze Macht“ nur auf einer Seite, was für
Jonas widersinnig ist. Hierzu sagt er:
„Es folgt aus dem bloßen Begriff der Macht,
daß Allmacht ein sich selbst widersprechender, selbstaufhebender, ja sinnloser
Begriff ist. […] ‚Macht’ ist ein Verhältnisbegriff und erfordert ein
mehrpoliges Verhältnis. […] Macht kommt zur Ausübung nur in Beziehung zu etwas,
was selber Macht hat. […] Kurz, es kann nicht sein, daß alle Macht auf seitens
eines Wirksubjekts allein sei. Macht muß geteilt sein, damit es überhaupt Macht
gibt.“ (3)
Weiterhin zieht
Jonas das Postulat einer absoluten Güte und Allmächtigkeit des Schöpfergottes
seiner Kritik, indem er diesmal ein theologisches Argument herausarbeitet. Für
ihn haben unbeschränkte Allmacht und absolute Güte nur unter der Voraussetzung
der Unbegreiflichkeit Gottes Bestand.
„Doch neben diesem logischen und
ontologischen Argument gibt es einen mehr theologischen und echt religiösen
Einwand gegen die Idee absoluter und unbegrenzter Allmacht. Göttliche Allmacht
kann mit göttlicher Güte nur zusammen bestehen um den Preis gänzlicher
göttlicher Unverständlichkeit, d.h. Rätselhaftigkeit.“ (4)
Jonas denkt, dass
eine Unverständlichkeit Gottes, d.h. dass der Mensch, nicht in der Lage ist,
Gott zu verstehen, zu einer Absurdität führen muss, nämlich Glauben
„funktioniert“ nur mit der Selbstaufgabe der Vernunft. Jonas hält das für
unvereinbar mit der jüdischen Tradition, die aber lehrt, dass Gott sich
geschichtlich offenbart, also für die Menschen irgendwie verständlich ist.
Literatur
(1): Kant,
"Kritik der reinen Vernunft"
(2): Kant,
"Kritik der reinen Vernunft" B, XXIXF, Werke II, S. 33(3): Hans Jonas, "Gottesbegriff", S. 33ff.
(4): ebd.
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