01.05.2015

Die Ästhetisierung des Lebens heute



Die Benutzung des Worts "ästhetisch" ist heute in allen Bereichen des Lebens verbreitet. Man versteht darunter etwa "schön" oder "schön gestylt" und wird fast überall in den Mund genommen, das geht vom Friseur, über Wohnzimmer, Hotels, Kaufhäuser, TV Shows bis zu den modernen Autos. Es bleibt nicht beim Friseur, wenn es um den menschlichen Körper handelt, sondern geht weiter mit der modischen Kleidung, Bodybuilding bis hin zur Schönheitschirurgie. Die Ästhetisierung im Sinne vom "Schönmachen", "Verhübschung" von Gegenständen, Räumlichkeiten, menschlichen Körpern und sogar vom tierischen Aussehen (etwa Hunden oder Katzen) ist eine "Eigentümlichkeit" unserer Zeit geworden. Diese Entwicklung ist historisch wohl nachvollziehbar in Angesicht der Entwicklung der wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten des Menschen, der anfangs in erster Stelle gegen die natürlichen Zwängen und Bedürfnissen seines (Über)Lebens kämpfen muss, aber nach und nach setzt er seine Wissenschaft und Technik dafür, sein Leben nicht nur "abzusichern", sondern auch u.a. etwas "ästhetisch" zu gestalten, um seinen Sinn für "Schönheit" zu erfüllen. Das Mängelwesen "Mensch" benötigt nicht nur die Technik, um sein biologisches Mängelwesen zu kompensieren, er besitzt weiterhin andere geistige Dimensionen, die ihn stets veranlassen, sich selbst und seine Umwelt im weitesten Sinne zu verändern. Es gibt viele Begriffe, die diese komplexen Dimensionen bei der menschlichen Gattung darstellen versuchen, etwa "Wissendrang", "Neugier" oder mehr philosophisch etwa die berühmte Aufforderung Sokrates "Erkenne dich", die uns implizit "vorwirft", dass wir uns gar nicht kennen; die Kantische "gesellige Ungeselligkeit" des Menschen, die uns als "sozial" und "egoistisch" zugleich "stempelt"; die Art "dunkler Trieb", der nach Schoppenhauer das menschliche Handeln antreibt; die "Wille zur Macht" soll nach Nietzsche den Menschen in seinem Tun und Lassen bewegen; das "Unbewusste", das nach Freud von uns zwar unkontrolliert bleibt, aber trotzdem uns vorwiegend lenkt; oder nicht zuletzt die „exzentrische Positionalität“, mit der Plessner den widersprüchlichen menschlichen Doppelcharakter beschreiben versucht, wie der Mensch seiner Biologie gefangen bleibt, aber gleichzeitig und dank seiner Reflexionsfähigkeit seine Umwelt durch Denken transzendieren bestrebt. Was hat das alles mit "Ästhetisierung" zu tun?
Die Vielfalt der Humanwissenschaften (Hermeneutik, Kunst, Literatur, Musik, Geschichte, Psychologie, Soziologie, Anthropologie, usw.) und manche Naturwissenschaften wie Biologie, Medizin v.a. Neurologie oder Gehirnforschung versuchen die menschliche Mehrdimensionalität und deren widersprüchlichen Aspekte zu beleuchten, was auch zum Ausdruck bringt, dass dieses Lebewesen "Mensch" sich, sein Handeln oder seine Beziehung zur Umwelt bei weitem noch nicht verstanden hat. Mit der Ästhetisierung verfolgt der Mensch seine ewige "Mimesis" im Sinne der Nachahmung der Natur in einem doppelten Sinne, zum einen lernt er von den natürlichen Prozessen etwa dem Schwimmen eines Fisches oder Fliegen eines Vogels, aber auch imitiert die "Schönheit" der Naturgegebenheiten. Er begnügt sich nicht mehr damit, die Naturschönheiten zu bewundern, sondern erzeugt selbst künstliche Schönheiten etwa Gartenbau, künstliche Flüsse, ästhetische Architektur und alles, was hier einleitend erwähnt wurde. Übrigens hat das "Phänomen" der Ästhetisierung die menschliche Geschichte stets begleitet, seitdem es Menschen gibt, wie z.B. die Pfunde der Archäologie (etwa Schmuckstücke, "ästhetisierte" Wohnorte und Gegenstände, etc.) beweisen. In unserer Zeit verstärkt sich dieser Trend sehr, da wir technisch, finanziell und auch kulturbedingt mehr können als unsere (Ur)Vorfahren. Bis hier scheint doch, dass diese Entwicklung in Ordnung der Menschgeschichte gut passt. Was könnte aber dabei problematisch sein, dass der Mensch sich und seine Umgebung immer "schöner" durch mehr Ästhetisierungsverständnis und -möglichkeiten (um)gestaltet?
Schon Aristoteles hat in seiner Glücksphilosophie bei der "goldenen Mitte" Ansatz gefunden. Es ist nach ihm das "Übermaß" bei jeder Unternehmung das Problem. Indem die modernen Menschen ihre Welt "ästhetisieren" überschlagen sie in vielen Fällen das "Ausgewogene", das "Sinnvolle" um Längen. Und das liegt meistens daran, dass der Mensch immer mehr an Autonomie im Sinne Kants, also an bewusste und "verantwortliche" Selbstbestimmung verliert und eher immer mehr an Diktat der neuen "Marktgöttern" unterliegt, die eine Art "neue Religion" für die Menschen repräsentieren (wollen). Die Märkte setzen genau bei der "ambivalenten" Situation der Menschen, also bei deren "Unzulänglichkeiten" an, die wir vorhin anhand beispielhafter philosophischen Begriffe darzustellen versucht haben, um die vorhandenen "Bedürfnisse" mit Angeboten in Form von Waren oder Dienstleitungen zu stillen, aber auch - und das ist vor allem das Problematische -für die produzierte Wahre und Dienstleistungen "scheinbare Bedürfnisse" bei Menschen zu erzeugen. Dass viele junge Damen und Männer so aussehen "müssen" wie "Topmodels" oder "Weltstars" ist heute eine eindeutige Situation, die von verschiedenen Märkten (von Fashion, Mode, Haarstyling, Bodybuilding bis Schönheitschirurgie) einerseits "ausgenutzt", aber auch entschieden fokussiert, gefördert und womöglich sogar "erzeugt". Man kann sich weiterfragen, und was ist dabei problematisch? Die Nachteile einer solchen Situation sind unzählbar und deren "Konsequenzen" bzw. "Auswirkungen" auf andere Lebensbereiche der Menschheit kaum einschätzbar. Wenn die neuzeitliche Aufklärung über Jahrhunderte hinweg und die moderne Avantgarde danach versuchten, die Menschen zur Vernunft und Freiheit aufzufordern, zu "erziehen", damit sie autonom, selbstbestimmend, frei in einer Gesellschaft friedfertig und verantwortlich gegenübereinander und gegenüber ihrer (Um)Welt leben, versuchen die modernen Märkte nicht nur die natürlichen Lebensbedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern (bewusst oder unbewusst) dieses Aufklärungsprojekt zunichte zu machen und die Menschen zu einer neuen Art der "Sklaverei" zurück zu dringen, wo der Mensch nur noch funktioniert wie etwa Michel Foucault meint oder sich maschinell der Alltagsroutine widmet, wie es u.a. in Kafkas "Verwandlung" beschrieben ist. Anstelle der moralischen Orientierung und Selbstbestimmung tritt die Wahl eines "Lebensstils", eines gestylten Aussehens. Und auch diese Wahl ist nur selten autonom, denn eine Person "glaubt" nur etwas "auszuwählen", wobei sie aber meistens über "infernale Umwege" von Marktstrategen, durch direkte oder indirekte Werbung dazu "inspiriert", "manipuliert", "gezüchtet" und letztendlich "gezwungen" sei. Und dass die moderne Politik so gut wie keine Alternativprogramme hat (für was auch immer, Bildung, Kultus, Alternativwirtschaft, Marktpolitik, ...) als den Neokapitalisten und deren Interessen zu dienen und den Staat und die Bürger nur noch "verwaltet", stellt eine andere und bedeutende Dimension einer großen Problematik dar, von der die "ausweglose" und zum Teil wahnsinnige Ästhetisierung nur ein Aspekt ist.

Adornos Darstellung des Verhältnisses von Kunst und Natur




Adorno war einer der führenden Denker der Frankfurter Schuler und damit der sog. "Kritischen Theorie". Bekanntlich haben W. Adorno und Max Horkheimer das Projekt der Aufklärung u.a. in ihrem Buch "Dialektik der Aufklärung" scharf kritisiert und gar für gescheitert geklärt. Adorno arbeitet an seinem späten Werk Ästhetische Theorie unter Einfluss der Idee, dass die Rationalisierungsprozessen der Moderne zu einer Form der Herrschaft geführt haben und somit zur Natur- und Selbstentfremdung des Menschen bis hin zum Faschismus und Katastrophen des 20. Jahrhunderts.
Es liegt dann auf der Hand, welche Fragestellt Adorno bezüglich der Kunst, nämlich wie kann eine neue Ästhetik entworfen werden, die gegen eine solche technische Herrschaft und daher gegen jegliche Entfremdung des Menschen wirken kann?
Noch praktischer ausgedrückt, war eine seiner Leitfragen, wie soll eine menschliche Erziehung aussehen, die verhindert, das etwas wie Ausschwitz nicht wiederholt werden kann?
Der Prof. Rüdiger Safranski berichtet einmal, wiesein Lehrer Adorno die Kunst sieht (sinngemäß): "Adorno bevorzugte eine Kunst, die einigermaßen mit Rücken zum Publikum betrieben wird, [...] nicht um das Publikum dann zu beleidigen, sondern um das zu schützen, was im Innersten der Kunst geschieht, [...] d.h. bloß keine Gefälligkeit, sondern sich der Strenge der Kunst hingeben. Eine seiner Ausdrücke war immer, es gilt die Logik des künstlerischen Materials zu folgen und nicht jetzt gefällige Kompromisse zu machen. [...] Bloß kein Marktschreiertum! Bloß keine Anpassung!" (1)
Dieser Bericht über das Kunstverständnis bei Adorno hebt v.a. zwei Sachen hervor, nämlich, Anpassung und das künstlerische Material. Was ist denn damit gemeint, wenn Adorno den Künstler warnt: "Bloß keine Anpassung!"? Natürlich will er sagen, dass die Kunst nicht dem "Marktdiktat", nicht den Publikums Gefälligkeiten unterliegen soll, denn genau das entzieht der Kunst seine eigentliche Funktion, nämliche das Nicht-Identische hervorzuheben, d.h. die Eigenständigkeit des Individuellen, des Nicht-Angepassten zu retten und nicht unter dem Druck der Rationalisierung zu einer gezwungenen hergestellten "Identität" reduzieren zu lassen. Aber wie kann der Künstler diese Aufforderung erfüllen? Hierzu erwartet Adorno, dass der Künstler der Logik seines künstlerischen Materials treu zu bleiben, sich konsequent seiner Kunst und nur seiner Kunst hinzugeben, unabhängig davon, was die anderen von ihm verlangen oder erwarten.
Die Kunst als freie Gestaltung der Wirklichkeit (also der Natur) einerseits und als Mimesis (Nachahmung, zum Ausdruck-Bringen) wiederum der Natur (als nicht entfremdend) anderseits, muss sie daher nach Adorno einzig der Strenge seines Themas, seines Materials und dessen internen Logik bzw. "Rationalität" unterworfen bleiben, d.h. sich selbst dem lebendigen Stoff anpassen, die Vieldeutigkeit des sinnlichen Lebendigen, des Nicht-Identischen, das sich stets einer eindeutigen Sinn-Zuweisung entzieht zur Darstellung kommen zu lassen und somit dem Menschen helfen, sich von der Natur- und Selbstentfremdung zu befreien und zu sich und seiner natürlichen Eigenständigkeit zurückzufinden -weg von unter Zwang und Anpassung hergestellten falschen "Identitäten", denn es gibt kein richtiges Leben im falschen, wie eineAussage von Adorno lautet. Der Rätselcharakter der Kunst liegt für Adorno eben darin, das sich an das Nicht-Identische der Natur anpassen versucht. Von daher weigert sich jedes Kunstwerk, einer eindeutigen Identifizierung zu unterliegen und bleibt für Mehrdeutigkeitoffen.Die Kunst kann die lebendige Individualität, das Nicht-Angepasste vertreten, nur weil sie sich als "in sich gebrochene Identität" niemals als Herrschaft durchsetzen kann.
Gegen die entfremdenden Rationalisierungsprozesseder Moderne hält Adorno die künstliche Versöhnung mit der Natur als Mittel. Da er möglichst jede Herrschaft unterbinden will, postuliert er den Vorrang der Naturschönheit vor der Kunstschönheit, um dem Künstler auch kein Vertrauen zu verschenken. 
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Literatur 


(1): Rüdiger Safranski sprach bei einer Sendungauf TV 3Sat,
Theodor W. Adorno - Der Bürger als Revolutionär | Wer denkt, ist nicht wütend
(1. Teil). 2-teilige Dokumentation über Theodor W. Adorno
(Datum der Sendung ist mir leider unbekannt, hochgeladen auf Youtube am 18.02.2011).

Die Bedeutung des Spiels bei Schiller und Gadamer


Was ist mit "Spiel" allgemein gemeint?
In Wikipedia liest man: "Spiel (von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf ausgeführt werden kann (Theaterspiel, Sportspiel, Violinspiel)." (1)
Der Freiheitbegriff spielt eine Zentralrolle beim dichterischen Schaffen Schillers. Er spricht der Kunst eine kulturelle Bildungsaufgabe zu, durch die sich die Menschheit zur Freiheit entfalten und vervollkommnen kann. „Die Kunst muß dem Menschen Lebensformen anschaulich vor Augen halten, die ihn zu sich selbst finden lassen, sein Bewußtseinvon Vernunft und Freiheit wecken.“ (2)
In Auseinandersetzung mit Kants Indienstnahme der Kunst, v.a. der Kantischen Idee des Schönen als Symbol der Sittlichkeit, sieht Schiller, dass die Kunst in Bezug auf Freiheit gedacht werden sollte, die in ihr Ausdruck findet. Er deutet diesen Gedanken Kants so, dass in der Schönheit die Freiheit zur Erscheinung kommt, wobei Schiller, den Schein nicht in Relation auf ein wahres Sein bestimmt, sondern auf die Freiheit, die sich im Kunstwerk dargestellt wird.Es handelt sich für Schiller nicht um bestimmte ästhetische Inhalte, sondern um die ästhetische Formung, in der sich die Kunstfreiheit offenbart. Er sieht hierin eine ästhetische Vermittlung von Sinnlichkeit und Sittlichkeit und stellt diese Vermittlungsfunktion in seinen Schriften <Über die ästhetische Erziehung des Menschen> als einen „Spieltrieb“ dar, mit dem der Mensch kreativ frei, sein Menschsein wider der natürlichen und moralischen Zwänge zum Entfalten bringt.Kants Erkenntnistheorie sprach von dem spielerischen Einbildungsvermögen, das die konkrete Fülle der Anschauungen zu zweckmäßigen und schönen Formen ordnet. Schiller aber bezieht den Spielbegriff auf das menschliche Handeln und erkennt ihm als „Trieb“ einen praktischen Anspruch im menschlichen Leben an. 
Schiller unterscheidet drei Begriffe, nämlich„Stofftrieb“, „Formtrieb“ und „Spieltrieb“, wobei dem letzten eine Vermittlungsfunktion zwischen den anderen zuordnet.Der „Stofftrieb“bzw. der „sinnliche Trieb“entspricht für ihn unserer passiven Aufnahmefähigkeit sinnlicher Eindrücke, insofern wir als Teilnehmer an den lebendigen Wirklichkeitsprozessen stets wechselnde Anreize erfahren.Mit dem„Formtrieb“ bezeichnet er hingegen die menschliche Neigung, die Wirklichkeit frei zu gestalten, zu konstruieren und sich selbstzubestimmen. Die moralische Autonomie Kants versteht Schiller als einen besonderen Ausdruck des „Formtriebs“.  Wenn wir dazu neigen einerseits unter unserem „Stofftrieb“, der Wirklichkeit festen Gestalt zu geben (natürliche Gesetzlichkeit) und unter unserem „Formtrieb“ anderseits, unser Leben durch ethische Formen selbst zu bestimmen (moralische Gesetzlichkeit), dann versuchen wir wiederum unter unserem „Spieltrieb“, der Strenge dieser beiden Gesetzlichkeiten, also den Natur- und Moralzwängen zu entziehen, um unsere Freiheit zu bewahren, betonen und erleben. Die Kunst ist zwar auch eine Gestaltung, jedoch eine besondere, nämlich eine spielerische, lebendige und kreative Gestaltung, wobei wir uns an unserer Sinnlichkeit erfreuen können und dabei keinem starren Gesetz unterworfen fühlen. Mit dieser lebendigen Gestaltung der schönen Kunst bringen wir unsere Freiheit zum Ausdruck. Lassen wir Schiller selbst zusammenfassen: "Der sinnliche Trieb will, daß Veränderung sei, daß die Zeit einen Inhalt habe; der Formtrieb will, daß die Zeit aufgehoben, daß keine Veränderung sei. Derjenige Trieb also, in welchem beide verbunden wirken..., der Spieltrieb also würde dahin gerichtet sein, die Zeit in der Zeit aufzuheben, Werden mit absolutem Sein, Veränderung mit Identität zu vereinbaren. [...] Der sinnliche Trieb will bestimmt werden, er will sein Objekt empfangen; Der Formtrieb will selbst bestimmen, er will sein Objekt hervorbringen: der Spieltrieb wird also bestrebt sein, so zu empfangen, wie er selbst hervorgebracht hätte, und so hervorzubringen, wie der Sinn zu empfangen trachtet. [...] Der Gegenstand des sinnlichen Triebes, in einem allgemeinen Begriff ausgedrückt, heißt Leben in weitester Bedeutung; ein Begriff, der alles materiale Sein und alle unmittelbare Gegenwart in den Sinnen bedeutet. Der Gegenstand des Formtriebes, in einem allgemeinen Begriff ausgedrückt, heißt Gestalt. [...] Der Gegenstand des Spieltriebes, in einem allgemeinen Schema vorgestellt, wird also lebendige Gestalt heißen können; ein Begriff, der allen ästhetischen Beschaffenheit der Erscheinung und mit einem Worte dem, was man in weiterer Bedeutung Schönheit nennt, zur Bezeichnung dient." (3)
Schiller schreibt dem Spieltrieb und damit dem Spielbegriff eine große Bedeutung zu, indem er die ästhetische Gestaltung als Ausdruck unserer Freiheit interpretiert und dass, diese Freiheit wiederum nicht anders als die Darstellung unseres Spieltriebs. Wenn er noch der schönen Kunst (der Schönheit) eine ästhetische Bildungsaufgabe zumutet, nämlich Bildung zur Freiheit mehr noch, er sieht in dieser ästhetischen Freiheit das Ideal einer Menschenwerdung.  "Die Schönheit müßte sich als eine notwendige Bedingung der Menschheit aufzeigen lassen." (4)
"Denn ... der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur ganz Mensch, wo er spielt." (5)

Für Hans-Georg Gadamer genauso wie vorher für Schiller bleibt die Zweckfreiheit des Spielens ein Zentralgedanke des ästhetischen Erlebens. Nichtsdestotrotz kritisiert Gadamer das Betrachten des Spielens bei Schiller, insofern der letzte den Spieltrieb als allein aus Subjekt ausgehend ansieht, ohne die eigentümliche Seinsweise des Spiels zu thematisieren. Gadamer betont seinerseits, dass das Spiel für "sich spricht", ohne ein bestimmtes Zweck zu verfolgen. Er skizziert eine Ontologie der Kunst, die zu verstehen versucht, was ereignet sich eigentlich bei der verwandelnden Erfahrung des Ästhetischen. Es geht ihm bei dieser Ontologie um ein besonders Wahrheitsgeschehen, eine ästhetische Wahrheit, nicht aber um eine Erkenntnis- oder Urteilstheorie im herkömmlichen Sinne.Die kreative Gestaltung stellt die Wirklichkeit aus einem besonderen Blickwinkel dar und wird somit zu einem Vollzug einer Verwandlung durch die ästhetische Wahrheit. Die Kunst als besondere Seinsweise ist zugleich eine Sprache, die Sinn vermittelt und ein Spiel, das sich ereignet. Gadamer sagt hierzu: "Wir sehen in der Erfahrung der Kunst eine echte Erfahrung am Werke, die den, der sie macht, nicht unverändert läßt, und fragen nach der Seinsart dessen, was auf solche Weise erfahren wird. So können wir hoffen, besser zu verstehen, was es für eine Wahrheit ist, die uns da begegnet." (6)
"Das Kunstwerk hat ... sein eigentliches Sein darin, daß es zur Erfahrung wird, die den Erfahrenden verwandelt." (7)
Die ästhetische Erfahrung ist für Gadamer eine Wahrheitserfahrung, die den Erfahrenden verändert, insofern sie Wahrheit ist und das offenlegt, was uns im Alltäglichen verborgen bleibt. In einem ästhetischen Spiel entdecken und erleben wir uns aufs Neue. Eine Spielaufgabe zu erfüllen ist Selbstzweck, Selbst-Verwirklichung und Selbstdarstellung. In jeder zweckfreien spielerischen Aufgabe erkennen wir uns selbst. Also beschreibtGadamer seinen Spielbegriff:
"Der spielende Mensch ist selbst im Spielen noch ein sich verhaltender, auch wenn das eigentümliche Wesen des Spieles darin besteht, daß er sich von der Anspannung entläßt, in der er sich zu seinen Zwecken verhält. Damit bestimmt sich näher, wieso Spielen Etwas-Spielen ist. Jedes Spiel stellt dem Menschen, der es spielt, eine Aufgabe. Er kann sich gleichsam nicht anders in die Freiheit des Sichausspielens entlassen, als durch die Verwandlung der Zwecke seines Verhaltens in bloßen Aufgaben des Spiels. [...] Offenbar beruht die eigentümliche Leichtigkeit und Erleichterung, die das spielende Verhalten bedeutet, auf dem besonderen Aufgabencharakter, der der Spielaufgabe zukommt, und entspringt dem Gelingen ihrer Lösung. Man kann sagen: Das Gelingen einer Aufgabe 'stellt sie dar'. Diese Redeweise liegt besonders nahe, wo es sich um Spiel handelt, denn dort weist die Erfüllung der Aufgabe in keine Zweckzusammenhänge hinaus. Das Spiel ist wirklich darauf beschränkt, sich darzustellen. Seine Seinsweise ist Selbstdarstellung. [...] Alles Darstellen ist nun seiner Möglichkeit nach ein Darstellen für jemanden. Daß diese Möglichkeit als solche gemeint wird, macht das Eigentümliche im Spielcharakter der Kunst aus." (8)

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Literatur 


(1): http://de.wikipedia.org/wiki/Spiel
(2): Gethmann-Siefert (1995), S. 157
(3): Friedrich Schiller, Werke, 5, S. 612ff.
(4): ebd. S. 600
(5): ebd. S. 618
(6): Hans-Georg Gadamer, , S. 94f.
(7): ebd. S. 98
(8): ebd. S. 102f.