Seit der Antike weckt die Schönheit
bei uns Interesse und Staunen und bereits Platon fragt sich, welche Wirkung hat
sie auf die Menschen. Aber bis Anfang der Neuzeit erfährt die Sinnlichkeit eine
metaphysische Abwertung gegenüber allem Geistigen und Vernünftigen und gerade
bei Platon war diese Abwertung am schärfsten. Erst mit der Neuzeit beginnt das
Sinnliche undsomit die sinnliche Erfahrungserkenntnis immer mehr an Bedeutung
zu gewinnen.
Die philosophische Disziplin
„Ästhetik“geht auf A. Gottlieb Baumgarten zurück, der damit einen neuen Bereich
der Philosophie eingeleitet hat. Ihm geht es bei der Betrachtung des Schönen
nicht um eine Eigenschaft von Dingen, sondern eher um ein Verstandesurteil.
Analog zu der Vernunftarbeit, die zu rationaler Erkenntnis führt, will
Baumgarten, dass die Ästhetik auch eine Form des kognitiven
Wirklichkeits-zugangs sein soll, der aus dem Erkenntnisvermögen der
„Sinne“ausgeht. Somit haben wir neben der begrifflichen Erkenntnistheorie eine
sinnliche Erkenntnis, die zwar nicht die Klarheit der rationalen Begriffe
erreicht, dafür aber eine unentbehrliche Ergänzung darstellt, die eine
sinnliche Erkenntnisweise über die Wirklichkeit ermöglicht, die diese mehr
umfassend und lebendig erfahren lässt. Daher und gerade deswegen liegt in der
Uneindeutigkeit der Sinnlichkeit für ihn ein besonderer Erkenntniswert. Der
Begriff z. B. „Landschaft“ mag diese von anderen Objekten rational deutlich
unterscheiden, dabei bleibt aber die Lebendigkeit und Komplexität der
betrachteten Landschaft, also die verschiedenen Aspekte, Unterschiede und
Bestandteile (Fluss, Bäume, Pflanzen, Vögel, Farben, usw.) beim weiten „außer
Spiel“ d.h. wegabstrahiert und damit unvermittelt. Baumgarten gehört zu den
ersten, die die sinnliche Erfahrung und damit die Sinnlichkeit allgemein
aufwertet und ihr ein eigenständiges Urteilsvermögen zuschreibt und somit aus
dem „Schatten“der Erkenntnistheorie befreit, wo sie seit der Antike als unzuverlässig
stand.
Baumgarten definiert die Ästhetik als
„Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis“, also denkt er die sinnliche Wahrnehmung
als eine besondere Erkenntnisweise der harmonischen Ordnung der Welt neben der
rationalen begrifflichen Erkenntnis. In seinem Hauptwerk Aesthetica zieht er eine Parallele, indem er versucht der Logik,
die für ihn die Lehre von der rationalen Vernunfterkenntnis darstellt, eben
eine Lehre von der sinnlichen Erkenntnis gegenüberzustellen (analogonrationis).
Seit der Antike war das Dreieck „Wahrheit,
Gutheit, Schönheit“ein Zentralthema der Philosophie, wobei mit Wahrheit
vielmehr die begriffliche und rationale gemeint ist. Mit Schönheit bezeichnet
man z. B. im Mittelalter „den Glanz der Wahrheit“, also wurde sie als
Eigenschaft der Gedanken angesehen. In der Neuzeit und mit Baumgarten wurde der Begriff
„Schönheit“erweitert verstanden und zu einer „ätherischen Wahrheit“erhoben, die
sich auf die sinnliche Erscheinung einer harmonischen Ordnung bezieht. Die
Sinne vermögen die lebendige und komplexe Wirklichkeit erfassen und diese zu
einer harmonischen Ordnung gestalten. Daher ist auch die harmonische Ordnung
der Gedanken Bestandteil der „schönen Kunst“. Die Ausdrucksform zur Vermittlung
sinnlicher Erkenntnis ist somit für Baumgarten noch viel wichtiger als im Fall
der rationalen Erkenntnis.
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