Was ist mit "Spiel" allgemein gemeint?
In Wikipedia
liest man: "Spiel
(von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit,
die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber
auch als Beruf ausgeführt werden kann (Theaterspiel,
Sportspiel,
Violinspiel)." (1)
Der Freiheitbegriff spielt eine
Zentralrolle beim dichterischen Schaffen Schillers. Er spricht der Kunst eine
kulturelle Bildungsaufgabe zu, durch die sich die Menschheit zur Freiheit
entfalten und vervollkommnen kann. „Die Kunst muß dem Menschen Lebensformen
anschaulich vor Augen halten, die ihn zu sich selbst finden lassen, sein
Bewußtseinvon Vernunft und Freiheit wecken.“ (2)
In Auseinandersetzung mit Kants
Indienstnahme der Kunst, v.a. der Kantischen Idee des Schönen als Symbol der
Sittlichkeit, sieht Schiller, dass die Kunst in Bezug auf Freiheit gedacht
werden sollte, die in ihr Ausdruck findet. Er deutet diesen Gedanken Kants so,
dass in der Schönheit die Freiheit zur Erscheinung kommt, wobei Schiller, den
Schein nicht in Relation auf ein wahres Sein bestimmt, sondern auf die
Freiheit, die sich im Kunstwerk dargestellt wird.Es handelt sich für Schiller
nicht um bestimmte ästhetische Inhalte, sondern um die ästhetische Formung, in
der sich die Kunstfreiheit offenbart. Er sieht hierin eine ästhetische
Vermittlung von Sinnlichkeit und Sittlichkeit und stellt diese
Vermittlungsfunktion in seinen Schriften <Über die ästhetische Erziehung des
Menschen> als einen „Spieltrieb“ dar, mit dem der Mensch kreativ frei, sein
Menschsein wider der natürlichen und moralischen Zwänge zum Entfalten bringt.Kants
Erkenntnistheorie sprach von dem spielerischen Einbildungsvermögen, das die
konkrete Fülle der Anschauungen zu zweckmäßigen und schönen Formen ordnet.
Schiller aber bezieht den Spielbegriff auf das menschliche Handeln und erkennt
ihm als „Trieb“ einen praktischen Anspruch im menschlichen Leben an.
Schiller unterscheidet drei Begriffe,
nämlich„Stofftrieb“, „Formtrieb“ und „Spieltrieb“, wobei dem letzten eine
Vermittlungsfunktion zwischen den anderen zuordnet.Der „Stofftrieb“bzw. der
„sinnliche Trieb“entspricht für ihn unserer passiven Aufnahmefähigkeit
sinnlicher Eindrücke, insofern wir als Teilnehmer an den lebendigen
Wirklichkeitsprozessen stets wechselnde Anreize erfahren.Mit dem„Formtrieb“ bezeichnet
er hingegen die menschliche Neigung, die Wirklichkeit frei zu gestalten, zu
konstruieren und sich selbstzubestimmen. Die moralische Autonomie Kants versteht
Schiller als einen besonderen Ausdruck des „Formtriebs“. Wenn wir dazu neigen einerseits unter unserem
„Stofftrieb“, der Wirklichkeit festen Gestalt zu geben (natürliche
Gesetzlichkeit) und unter unserem „Formtrieb“ anderseits, unser Leben durch ethische
Formen selbst zu bestimmen (moralische Gesetzlichkeit), dann versuchen wir wiederum
unter unserem „Spieltrieb“, der Strenge dieser beiden Gesetzlichkeiten, also
den Natur- und Moralzwängen zu entziehen, um unsere Freiheit zu bewahren,
betonen und erleben. Die Kunst ist zwar auch eine Gestaltung, jedoch eine
besondere, nämlich eine spielerische, lebendige und kreative Gestaltung, wobei
wir uns an unserer Sinnlichkeit erfreuen können und dabei keinem starren Gesetz
unterworfen fühlen. Mit dieser lebendigen Gestaltung der schönen Kunst bringen
wir unsere Freiheit zum Ausdruck. Lassen wir Schiller selbst zusammenfassen:
"Der sinnliche Trieb will, daß
Veränderung sei, daß die Zeit einen Inhalt habe; der Formtrieb will, daß die
Zeit aufgehoben, daß keine Veränderung sei. Derjenige Trieb also, in welchem
beide verbunden wirken..., der Spieltrieb also würde dahin gerichtet sein, die
Zeit in der Zeit aufzuheben, Werden mit absolutem Sein, Veränderung mit
Identität zu vereinbaren. [...] Der sinnliche Trieb will bestimmt werden, er
will sein Objekt empfangen; Der Formtrieb will selbst bestimmen, er will sein
Objekt hervorbringen: der Spieltrieb wird also bestrebt sein, so zu empfangen,
wie er selbst hervorgebracht hätte, und so hervorzubringen, wie der Sinn zu
empfangen trachtet. [...] Der Gegenstand des sinnlichen Triebes, in einem
allgemeinen Begriff ausgedrückt, heißt Leben in weitester Bedeutung; ein
Begriff, der alles materiale Sein und alle unmittelbare Gegenwart in den Sinnen
bedeutet. Der Gegenstand des Formtriebes, in einem allgemeinen Begriff
ausgedrückt, heißt Gestalt. [...] Der Gegenstand des Spieltriebes, in einem
allgemeinen Schema vorgestellt, wird also lebendige Gestalt heißen können; ein
Begriff, der allen ästhetischen Beschaffenheit der Erscheinung und mit einem
Worte dem, was man in weiterer Bedeutung Schönheit nennt, zur Bezeichnung
dient." (3)
Schiller
schreibt dem Spieltrieb und damit dem Spielbegriff eine große Bedeutung zu,
indem er die ästhetische Gestaltung als Ausdruck unserer Freiheit interpretiert
und dass, diese Freiheit wiederum nicht anders als die Darstellung unseres
Spieltriebs. Wenn er noch der schönen Kunst (der Schönheit) eine ästhetische
Bildungsaufgabe zumutet, nämlich Bildung zur Freiheit mehr noch, er sieht in dieser
ästhetischen Freiheit das Ideal einer Menschenwerdung. "Die
Schönheit müßte sich als eine notwendige Bedingung der Menschheit aufzeigen
lassen." (4)
"Denn ... der Mensch spielt nur, wo er in
voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur ganz Mensch, wo er
spielt." (5)
Für
Hans-Georg Gadamer genauso wie vorher für Schiller bleibt die Zweckfreiheit des
Spielens ein Zentralgedanke des ästhetischen Erlebens. Nichtsdestotrotz
kritisiert Gadamer das Betrachten des Spielens bei Schiller, insofern der letzte
den Spieltrieb als allein aus Subjekt ausgehend ansieht, ohne die eigentümliche
Seinsweise des Spiels zu thematisieren. Gadamer betont seinerseits, dass das
Spiel für "sich spricht", ohne ein bestimmtes Zweck zu verfolgen. Er
skizziert eine Ontologie der Kunst, die zu verstehen versucht, was ereignet
sich eigentlich bei der verwandelnden Erfahrung des Ästhetischen. Es geht ihm
bei dieser Ontologie um ein besonders Wahrheitsgeschehen, eine ästhetische
Wahrheit, nicht aber um eine Erkenntnis- oder Urteilstheorie im herkömmlichen
Sinne.Die kreative Gestaltung stellt die Wirklichkeit aus einem besonderen
Blickwinkel dar und wird somit zu einem Vollzug einer Verwandlung durch die ästhetische
Wahrheit. Die Kunst als besondere Seinsweise ist zugleich eine Sprache, die
Sinn vermittelt und ein Spiel, das sich ereignet. Gadamer sagt hierzu: "Wir sehen in der Erfahrung der Kunst eine
echte Erfahrung am Werke, die den, der sie macht, nicht unverändert läßt, und
fragen nach der Seinsart dessen, was auf solche Weise erfahren wird. So können
wir hoffen, besser zu verstehen, was es für eine Wahrheit ist, die uns da
begegnet." (6)
"Das Kunstwerk hat ... sein eigentliches Sein
darin, daß es zur Erfahrung wird, die den Erfahrenden verwandelt." (7)
Die
ästhetische Erfahrung ist für Gadamer eine Wahrheitserfahrung, die den
Erfahrenden verändert, insofern sie Wahrheit ist und das offenlegt, was uns im
Alltäglichen verborgen bleibt. In einem ästhetischen Spiel entdecken und
erleben wir uns aufs Neue. Eine Spielaufgabe zu erfüllen ist Selbstzweck,
Selbst-Verwirklichung und Selbstdarstellung. In jeder zweckfreien spielerischen
Aufgabe erkennen wir uns selbst. Also beschreibtGadamer seinen Spielbegriff:
"Der
spielende Mensch ist selbst im Spielen noch ein sich verhaltender, auch wenn
das eigentümliche Wesen des Spieles darin besteht, daß er sich von der
Anspannung entläßt, in der er sich zu seinen Zwecken verhält. Damit bestimmt
sich näher, wieso Spielen Etwas-Spielen ist. Jedes Spiel stellt dem Menschen,
der es spielt, eine Aufgabe. Er kann sich gleichsam nicht anders in die
Freiheit des Sichausspielens entlassen, als durch die Verwandlung der Zwecke
seines Verhaltens in bloßen Aufgaben des Spiels. [...] Offenbar beruht die
eigentümliche Leichtigkeit und Erleichterung, die das spielende Verhalten
bedeutet, auf dem besonderen Aufgabencharakter, der der Spielaufgabe zukommt,
und entspringt dem Gelingen ihrer Lösung. Man kann sagen: Das Gelingen einer
Aufgabe 'stellt sie dar'. Diese Redeweise liegt besonders nahe, wo es sich um
Spiel handelt, denn dort weist die Erfüllung der Aufgabe in keine
Zweckzusammenhänge hinaus. Das Spiel ist wirklich darauf beschränkt, sich
darzustellen. Seine Seinsweise ist Selbstdarstellung. [...] Alles Darstellen
ist nun seiner Möglichkeit nach ein Darstellen für jemanden. Daß diese
Möglichkeit als solche gemeint wird, macht das Eigentümliche im Spielcharakter
der Kunst aus." (8)_______
Literatur
(1):
http://de.wikipedia.org/wiki/Spiel
(2): Gethmann-Siefert (1995), S. 157
(3): Friedrich Schiller, Werke, 5,
S. 612ff.
(4): ebd. S. 600
(5): ebd. S. 618
(6): Hans-Georg Gadamer, , S. 94f.
(7): ebd. S. 98
(8): ebd. S. 102f.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen