24.11.2011

Kausalitätsgesetz bei Hume und Kant


Bevor wir uns mit dem Unterschied befassen, wie Hume und Kant jeweils den Begriff „Kausalität“ versteht, stellt sich zuerst die Frage: Was bedeutet Kausalität im Allgemeinen? Der Mensch als Vernunftwesen, kann sich kein Seiendes aus dem Nichts entsehend vorstellen. Damit überhaupt etwas ist bzw. wird, sei es ein Ding oder ein Vorgang, muss dahinter ein Grund, eine Ursache stehen. Die Welt scheint den Menschen wie eine unendliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen, d.h. eine Ursache ergibt eine Wirkung und die letzte wird selbst zu einer Ursache anderer Wirkung und so fort. Die strengste Vorstellung solcher Verkettung hat manche Philosophen veranlasst, ein causa prima für die Welt anzunehmen und darauf aufbauend alle Dinge und Vorkommnisse zu begründen. Ein Stellvertreter dieser Richtung ist der erste Beweger von Aristoteles, um nur ein Beispiel zu nennen. Diese allgemeine Definition der Kausalität scheint offenbar zu sein. Aber eben nur „scheint“ und muss nicht für jeden gelten.
Hume als Empirist also jemand, der jede Erkenntnis nur a posteriori versteht, wird zwangsläufig keine Gesetzmäßigkeiten etwa Ursache-Wirkung in den Naturgeschehnissen voraussetzen, denn das würde bedeuten, dass der Mensch der Natur zuvorkommt und voraussieht, was sie zukünftig vorhat und das wiederum würde logischerweise nach sich ziehen, dass wir etwas apriorisch wissen können. Und in der Tat, was wir üblicherweise Kausalität nennen, etwa beim Beobachten eines Zusammenstoßes zweier Tennisbällen, indem wir sagen, der Stoß bringt die Bälle zum Bewegen, ist aber für Hume nicht weiteres als ein Erleben von zwei Bällen, die vor dem Zusammenprall in Bewegung waren, dann sehen wir, dass sie in Kontakt miteinander kommen und wieder auseinander weggehen. Das heißt aber nicht im Hume’schen Sinne, dass hier der Stoß eine Ursache und das Auseinandergehen deren Wirkung sein müssen. Wir beobachten diese Vorkommnisse wie sie einfach passieren, ohne ein Gesetz dahinter voraussetzen zu dürfen, denn keiner kann uns sicher belegen, dass diese Vorkommnisse miteinander gekoppelt sind geschweige sich auch in der Zukunft wiederholen werden. Es geht nach Hume lediglich um menschliche Gewohnheiten, will heißen die Menschen haben sich daran gewohnt immer wieder Geschehnisse zu beobachten wie etwa den Stoß von Gegenständen und die diesem Ereignis begleitende (nicht aber daraus entsehende) Bewegung und somit haben sie unter dieser Wiederholbarkeit ein Gesetz angenommen, nämlich eine kausale Beziehung von Ursache (Stoß) und Wirkung (Bewegung). Abstrakter ausgedruckt, sind für Hume lediglich Ereignisse zu beobachten, die räumlich nebeneinander und zeitlich nacheinander vollziehen, aber keine notwendige kausale Verknüpfungen darin vorauszusetzen sind. Hume ist gegen die Vorstellung, dass eine notwendige Verbindung zwischen Ursache und Wirkung herrscht. Keine rationale Argumente liegen dafür vor, sondern einzig Gewohnheit und Assoziation führen subjektiv zu jenem Trugschluss:
„Wenn aber viele gleichförmige Beispiele auftreten und demselben Gegenstand immer dasselbe Ereignis folgt, dann beginnen wir den Begriff von Ursache und Verknüpfung zu bilden. Wir empfinden nun ein neues Gefühl […]; und dieses Gefühl ist das Urbild jener Vorstellung [von notwendiger Verbindung], das wir suchen.“ Eine Konsequenz Hume’schen Empirismus ist, eine sichere Erkenntnis ist grundsätzlich nicht möglich, da der Zweifel an der Kausalität bei Hume zu einem grundsätzlichen Zweifel an allem mündet, was als Naturgesetz bezeichnet werden kann, denn aus Regelmäßigkeiten, die wir in Vergangenheit beobachtet haben, können für ihn keine induktiven Gesetzmäßigkeiten gefolgert werden. Trotzdem verwirft Hume nicht radikal unsere Fähigkeit zu einer gewissen Erkenntnis, denn sonst würde ja keine Naturwissenschaft geben. Nur die Begründung dieser Wissenschaften genießt niemals eine letzte Gültigkeit oder absolute Sicherheit. Die empirische Erkenntnis fußt allein auf das Ähnlichkeitsprinzip, was heißt, Gewohnheit unseres Denkens, aus einander ähnlichen Tatsachen auf Folgerungen über deren Korrelation zu schließen. Es handelt nach Hume lediglich um eine psychologische Notwendigkeit. Auch anhand des Gewohnheitsprinzips versteht Hume die Kausalität: Wir führen eine Wirkung auf eine bestimmte Ursache zurück, denn wir beobachten die chronologische Abfolge bestimmter Tatsachen und folgern per Gewohnheit, dass es um eine kausale Verknüpfung geht.

Kant sagte, Hume habe ihn aus seinem dogmatischen Schlummer geweckt und hat somit diese Hume’sche Kritik als methodisch richtig anerkannt. Widmen wir uns jetzt dem Philosophen Kant und wie er das sogenannte Kausalitätsgesetz denkt, nach dem er seinen „dogmatischen Schlummer“ längs hinter sich hat und seine eigene kritische Philosophie reif ausarbeitete. Unter dem sog. „dogmatischen Schlummer“ fällt u.a. die rationalistische „Ansicht“, dass es eine Erkenntnis aus reinem Verstand möglich wäre. Eine Erweckung aus diesem Dogma führte dazu, dass solche Erkenntnis für Kant auch nicht mehr möglich ist, ohne Verbindung mit sinnlicher Anschauung.
Kant teilt bekanntlich die Welt in zwei auf, die Welt der „Dinge an sich“ und die deren Erscheinungen. Die erste bleibt uns verschlossen und Zugang haben wir einzig zu der zweiten, also zu den Erscheinungen. Daher kann jedes Verständnis von Kant der Kausalität nur noch auf die Erscheinungen bezogen sein. Im Gegensatz zu Hume, postuliert Kant die Kausalität als eine Notwendigkeit, ohne deren Existenz können wir die Welt nicht verstehen, denn sie liegt der Erkenntnis strukturell zugrunde. Sie ist eine Kategorie und bedingt der Erfahrung, sie gilt apriorisch und erst durch sie wird Erfahrung überhaupt möglich und nicht umgekehrt.
Kant betont bekanntlich die apriorischen Bedingungen aller Erkenntnisse, jedoch nicht um Erkenntnis rein rational zu erzielen, sondern kombiniert mit Erfahrung, die für ihn sogar den Aktivitätszünder des Versandes darstellt: „Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren [...]. Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an.“ [Kant, Kritik der reinen Vernunft, B S 1ff.]
Der Begriff „Erkenntnisvermögen“ aus dieser Zitat verrät viel, wenn nicht alles, wie Kant seine Erkenntnistheorie konzipiert. Alles, was als a priori von ihm durchgedacht ist, steckt in diesem menschlichen Vermögen, das zuerst eine Erfahrung überhaupt möglich macht und dann (im zweiten Schritt) aus dieser wiederum Erkenntnis gewinnt bzw. synthetisiert.
Was ist dann mit der Kausalität in dieser kantischen Konzeption?
Kant unterscheidet zwei Quellen der Erkenntnis, nämlich Sinnlichkeit und Versand bzw. reine Anschauungsformen (Raum und Zeit) und reine Verstandsformen (reine Begriffe, Kategorien). Daher ist die Kausalität als Kategorie auch ein notwendiger Bestandteil dieses Vermögens, nicht aber wie bei Hume ein durch Gewohnheit und Assoziation a posteriori und nur subjektiv erzeugtes „Nebenprodukt“, das keine apriorische Wurzel im Versand hat.
Als eine seiner zwölf Kategorien, ist die Kausalität eine Grundregel des Verstandes, die es bereits vor jeder Erfahrung in uns gibt und stellt eine wichtige Denkfunktion dar.

05.11.2011

Die Bedeutung der Falsifikation im Kritischen Rationalismus

Um den Begriff „Falsifikation“ bei Karl Popper zu erklären, wird ein Überflug der Wissenschaftsphilosophie benötigt, wie dieser Bereich der Philosophie sich entfaltete bis zum kritischen Rationalismus. Der wesentliche Zeitpunkt für diese Geschichte begann mit der Neuzeit, wo die zwei großen Schulen „Rationalismus“ und „Empirismus“ stark entwickelt wurden, obwohl ihre Geburt als philosophische Konzepte längst vorher stattfand.

Der neuzeitliche Rationalismus postulierte, dass eine wissenschaftliche Theorie allein durch Vernunft und anhand der Deduktion entfaltet und bewiesen werden kann, wobei der neuzeitliche Empirismus dagegen stand und allein der Sinnerfahrung und der Induktion das letzte Wort aufräumte, wenn es um Erkenntnis der Wirklichkeit und Aufstellung deren wissenschaftliche Theorien handelt.

Das Aufkommen der modernen Zeit mit all seiner großen wissenschaftlichen Errungenschaften insbesondere der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik hat dazu geführt, dass nicht nur die klassische Vorstellung der Wissenschaften verblasste, sondern auch alle philosophische Theorien und allem voran die rationalistische und empirische Weltsicht.

Das Verifikationsprinzip gilt als Angelpunkt für alle empirische Theorien und insbesondere für den logischen Empirismus, der alles daran setzt, Begrifflichkeiten und Aussagen metaphysischen Charakters, also alles, was nicht anhand Tatsachen überprüfbar ist, aus der Philosophie und Wissenschaft zu bannen. Der Empirismus will aber einerseits induktiv vorgehen, um Theorien aufzustellen und anderseits diese Theorien, die letztendlich All-Sätze in der Wissenschaft darstellen der Verifikation unterliegen. Zweierlei Forderungen, die logisch nicht haltbar sind. Denn induktiv heißt in letzter Analyse selektiv, also aus Stichproben Verallgemeinerungen zu postulieren, also wissenschaftliche All-Sätze zu formulieren. Ein All-Satz ist aber logischerweise empirisch nicht verifizierbar, denn keiner kann alle denkbare Exemplare einer All-Aussage überprüfen, als wäre z. B. möglich, empirisch sicherzustellen, dass „alle Raben schwarz sind“. Eher ist es logisch, diesen All-Satz zu falsifizieren, denn es reicht dafür ein einziges Gegenbeispiel, nämlich einen nicht-schwarzen Rabe zu finden. Und genau hier setzt der Vater des Kritischen Rationalismus Karl Popper an und entwirft das Falsifikationskonzept als Gegenpol zum bisher bekannten Verifikationsprinzip. Er geht noch weiter gegen den Empiristen und denkt zuerst wie die Rationalisten, dass wissenschaftliche Theorien eher deduktiv entwickelt werden, aber - und hier wird er kritisch und distanziert sich vom traditionellen Rationalismus - diese Theorien sind bloße hypothetische All-Sätze, die dann stets an der Erfahrung gemessen werden und nur solange gelten bis sie durch Tatsachen falsifiziert werden. Poppers Falsifikationsprinzip ist somit ein Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft, denn eine durch Deduktion aufgestellte Theorie ist nur insofern wissenschaftlich, wenn sie eine hypothetische Geltung hat und immer wieder mithilfe Beobachtungen überprüft wird, bis sie sich einmal anhand einer harten Tatsache als falsch erweist, also falsifiziert wird.