15.09.2011

Die vier Seinsursachen bei Aristoteles

Allgemein gilt es, dass Aristoteles' Philosophie eine Ontologie des Werdens ist. Sie behandelt die natürlichen Dinge, insofern sie in Bewegung sind und sich verändern. Und was er Ursachen postuliert, sind für ihn die Grund- bzw. die Seinsprinzipien, die notwendig sind, damit ein Seiendes wirklich wird. Das Begriffspaar Möglichkeit/Wirklichkeit spielt eine zentrale Rolle bei dieser Metaphysik des Werdens. „Alles, was sich verändert, geht von einem Zustand der Möglichkeit mit Blick auf das, wozu es möglich ist, in einen Zustand der Wirklichkeit über.“ [Rapp, Christoff; Aristoteles zur Einführung].
Aristoteles unterscheidet vier Ursachen, die er wiederum in zwei innere und zwei äußere Prinzipien eines Seienden aufteilt und jeweils als Stoff-, Form-, Wirk- und Ziel-Ursache definiert.
Die Wirkursache ist eine Art Triebkraft, die ein Seiendes hervorbringt. Sie ist unserem modernen Verständnis von Ursache am nächsten. So ist z. B. der Bäcker Wirkursache des Brotes.
Weshalb wird die Wirkursache tätig, was ist das Motiv und der Zweck eines Handelns, das definiert Aristoteles als Zielursache. Diese Finalursache wird meistens als eine teleologische Erklärung interpretiert, als liefe alles nach einem vorbestimmten Plan, der durch eine transzendentale Zentralintelligenz entworfen und überwacht würde. Wenn es um intentional handelnde Wesen geht, wie ein Spaziergänger, der als Zweck seine Gesundheit im Auge hat, dann scheint uns die Zielursache unproblematisch. Aristoteles nimmt aber vielmehr an, dass bei natürlicher Vorgänge eine Zielverfolgung im Spiel ist, was als teleologische Naturerklärung gesehen wird und für die moderne Zeit nicht von jedem nachvollziehbar ist.
Wenn bei Platon die Idee das ideale leere Maßstab, woran einem Ding durch Teilhabe ein geringeres Sein zugesprochen wird, ist bei Aristoteles die Form als inneres Prinzip, die die Washeit und das Wesen eines Seienden bestimmt. Sie existiert nicht absolut für sich, sondern lediglich in der Vielfalt der konkreten Dinge. Es gibt nicht „Den“ Stuhl, sondern stets verschiedene Stühle.
Um diese Vielfalt in deren Unterschiedlichkeit zu erklären, führt Aristoteles sein letztes inneres Prinzip der Stoffursache ein. Das ist die Materie, die das wirkliche Wesen eines konkreten Seienden (eines Stuhls) letztendlich hervorbringt, indem die innere Form sich materiell im Vorschein tritt.
Wir müssen jedoch anmerken, das diese Begriffe der Form und Materie bei Aristoteles nicht ohne weiteres im Raster unseres modernen naturwissenschaftlichen Verständnisses passen, nämlich die Form als äußere Gestalt und die Materie als sinnlichen physikalischen Stoff zu begreifen. Sie sind für ihn eher ein Zusammenspiel geistiger Bestimmung und Möglichkeit. Er sieht in die Form das allgemeine geistige Prinzip, das ein Ding zu dem macht, was es ist. Sie ist sozusagen das innere Programm, das die Entfaltung eines Seienden ermöglicht. Die Form ist weiterhin plural, es geht stets um eine bestimmte und von den anderen unterschiedene Form und daher keine Form enthält alle Seinsmöglichkeiten. Ein Seiende ist demnach eine zur Wirklichkeit gewordene (geformte) Möglichkeit der Materie und das ist die letzte, die weiterer Veränderungen zu Grunde liegt und damit den Übergang von einer Form zur anderen hervorruft.


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