Seit Descartes kommt es - allgemein betrachtet – bei der Anwendung der analytischen Methode darauf an, ein bestimmtes Problem so lösen zu versuchen, indem man es in möglichst kleine Einheiten zerlegt, die sich eindeutig klarer beurteilen lassen als komplexe Sachverhalte. Im Sonderfall der Sprache wird diese Methode Sprachanalyse genannt, wobei es hier darum geht, die Regeln und Grundstrukturen der Sprache herauszuarbeiten mit dem Ziel, eine klare Sprachstruktur festzuhalten, die alle Ungenauigkeiten der Umgangssprache unterbindet. Ausgehend von der Funktion der Sprache, die darin liegt, Aussagen über die Wirklichkeit zu treffen, beschränkt sich das idealsprachliche Modell in erster Stelle auf die Aussagesätze.
Russel und Wittgenstein vertreten in diesem Kontext
eine bestimmte Position, den sog. logischen Atomismus, die eine Isomorphie
(Strukturgleichheit) zwischen der logischen Struktur der Sprache und der
Struktur der Realität postuliert. Dieser Isomorphie zwischen den beiden liegen
zwei Hauptannahmen zu Grunde. Einerseits gehen Russel und Wittgenstein davon aus,
dass der Zusammenhang zwischen Sprache und Wirklichkeit eine Abbildfunktion
ist, genauer die Sprache bildet die Wirklichkeit ab. Der analytischen Methode
konform, werden anderseits Sprache und Wirklichkeit in Grundeinheiten (Atome)
zergliedert, zum ersten in einfache Beobachtungssätze und zum zweiten in
einfache Tatsachen.
Seit Parmenides (oder spätestens seit Aristoteles)
steht die Ontologie im engsten Verhältnis mit der Sprachanalyse. Traditionell
hat die Metaphysik eine simple Gegenüberstellung zwischen Gegenständen und
Worten angenommen, wobei die letzten das Wesen und die Eigenschaften der ersten
unmittelbar und eindeutig in sich tragen als wären die einen nur die Kehrseite
der anderen. Diese Sichtweise entspricht noch der absoluten Definierbarkeit der
Welt und dem in der Sprache vorgegebenen Sinn aller Seienden. Demgegenüber
schlägt der logische Atomismus einen anderen Weg ein, indem er eine
Gegenüberstellung zwischen elementaren Tatsachen und deren entsprechenden
einfachsten Aussagesätzen annimmt, da die einzelnen Worte völlig austauschbar
sind und in sich gar nicht bedeuten, wenn sie nicht kontextbezogen und nach
Verwendungsfall betrachtet werden. Dass die Beziehung zwischen Signifikat und
Signifikanten völlig willkürlich ist ist erst eine Entdeckung der Moderne. Der
Atomismus setzt zuerst hier an und geht dann einen Schritt weiter, indem er in
einer ersten Phase die Wirklichkeit einerseits und die Sprache anderseits in
deren atomaren Einheiten zerlegt, und zwar jeweils in Tatsachen und deren zum Ausdruck bringenden Aussagesätzen. Weiterhin stellen
Russel und Wittgenstein im Vorbild der Mathematik eine Abbildfunktion zwischen
diesen zwei Mengen (der Tatsachen und Aussagesätzen) auf, die die Struktur der
beiden als gleich (isomorph) voraussetzt. Obwohl Wittgenstein nicht explizit
vom logischen Atomismus sprach wie es Russel tat, beinhaltet sein “Tractatus”
eine detaillierte Grundlegung dieser sprachlichen Sichtweise. Durch die
logische Analyse gelangt Wittgenstein zur Ansicht: "Die Welt zerfällt in
Tatsachen." [GPTD 8, S. 292]. Eine Tatsache ist
für ihn ein bestehender Sachverhalt. Bestehende und
nichtbestehende Sachverhalte gehören zu einem logischen Raum, den unsere
Sprache abbildet. Und somit haben die Sprache und die Welt die gleiche logische
Form. Denn wenn die Sprache sich in einfache Aussagesätze analysieren lässt,
die Welt seinerseits kann in elementare Tatsachen zergliedert werden.
Um sozusagen die 'Brücke' zwischen der Welt (den
Tatsachen) und der Sprache (den Aussagesätzen) zu bauen, geht Wittgenstein über
die Analyse der Abbildfunktion der Sprache: "Wir machen uns Bilder der
Tatsachen." ... und "Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit.",
wobei er die Wirklichkeit als "Das Bestehen und Nichtbestehen von
Sachverhalten..." definiert. [GPTD 8, S. 296]. Er folgt seine akribische Analysen bis er behauptet: "Das logische
Bild der Tatsachen ist der Gedanke." ... und "Im Satz drückt sich der
Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus." [GPTD 8, S. 299]. Im
Angesicht der Betonung und Geltung der Aussagesätze gegenüber
der Austauschbarkeit einzelner Worte sagt Wittgenstein: "Nur der Satz
hat Sinn; nur im Zusammenhange des Satzes hat ein Name Bedeutung." [GPTD
8, S. 308]. Und der Kreis schließt sich langsam, wenn er meint: "Der
Gedanke ist der sinnvolle Satz", also im Umkehrschluss
nur Aussagesätze sind sinnvoll und dann "Die Gesamtheit der Sätze ist
die Sprache." [GPTD 8, S. 309].
Fassen
wir zusammen, Wittgenstein analysiert erstens die Welt und sagt: "Die Welt
ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge." [GPTD 8, S. 292] und
zweitens die Sprache und stellt fest: "Die Gesamtheit der Sätze ist die
Sprache." [GPTD 8, S. 309]. Weiterhin konstruiert er eine logische
Zuordnung zwischen den beiden: "Die Angabe aller wahren Elementarsätze
beschreibt die Welt vollständig. Die Welt ist vollständig beschrieben durch die
Angaben aller Elementarsätze plus der Angabe, welche von ihnen wahr und welche
falsch sind." [GPTD 8, S. 324].
***
Literatur
Tractatus logico-philosophicus (siehe GPTD
8)
GPTD 8: Geschichte der
Philosophie in Text und Darstellung, Band
8
20. Jahrhundert
Reclam
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