01.05.2015

Baugartens Ästhetik und das Problem der ästhetischen Wahrheit



Seit der Antike weckt die Schönheit bei uns Interesse und Staunen und bereits Platon fragt sich, welche Wirkung hat sie auf die Menschen. Aber bis Anfang der Neuzeit erfährt die Sinnlichkeit eine metaphysische Abwertung gegenüber allem Geistigen und Vernünftigen und gerade bei Platon war diese Abwertung am schärfsten. Erst mit der Neuzeit beginnt das Sinnliche undsomit die sinnliche Erfahrungserkenntnis immer mehr an Bedeutung zu gewinnen.
Die philosophische Disziplin „Ästhetik“geht auf A. Gottlieb Baumgarten zurück, der damit einen neuen Bereich der Philosophie eingeleitet hat. Ihm geht es bei der Betrachtung des Schönen nicht um eine Eigenschaft von Dingen, sondern eher um ein Verstandesurteil. Analog zu der Vernunftarbeit, die zu rationaler Erkenntnis führt, will Baumgarten, dass die Ästhetik auch eine Form des kognitiven Wirklichkeits-zugangs sein soll, der aus dem Erkenntnisvermögen der „Sinne“ausgeht. Somit haben wir neben der begrifflichen Erkenntnistheorie eine sinnliche Erkenntnis, die zwar nicht die Klarheit der rationalen Begriffe erreicht, dafür aber eine unentbehrliche Ergänzung darstellt, die eine sinnliche Erkenntnisweise über die Wirklichkeit ermöglicht, die diese mehr umfassend und lebendig erfahren lässt. Daher und gerade deswegen liegt in der Uneindeutigkeit der Sinnlichkeit für ihn ein besonderer Erkenntniswert. Der Begriff z. B. „Landschaft“ mag diese von anderen Objekten rational deutlich unterscheiden, dabei bleibt aber die Lebendigkeit und Komplexität der betrachteten Landschaft, also die verschiedenen Aspekte, Unterschiede und Bestandteile (Fluss, Bäume, Pflanzen, Vögel, Farben, usw.) beim weiten „außer Spiel“ d.h. wegabstrahiert und damit unvermittelt. Baumgarten gehört zu den ersten, die die sinnliche Erfahrung und damit die Sinnlichkeit allgemein aufwertet und ihr ein eigenständiges Urteilsvermögen zuschreibt und somit aus dem „Schatten“der Erkenntnistheorie befreit, wo sie seit der Antike als unzuverlässig stand.
Baumgarten definiert die Ästhetik als „Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis“, also denkt er die sinnliche Wahrnehmung als eine besondere Erkenntnisweise der harmonischen Ordnung der Welt neben der rationalen begrifflichen Erkenntnis. In seinem Hauptwerk Aesthetica zieht er eine Parallele, indem er versucht der Logik, die für ihn die Lehre von der rationalen Vernunfterkenntnis darstellt, eben eine Lehre von der sinnlichen Erkenntnis gegenüberzustellen (analogonrationis).
Seit der Antike war das Dreieck „Wahrheit, Gutheit, Schönheit“ein Zentralthema der Philosophie, wobei mit Wahrheit vielmehr die begriffliche und rationale gemeint ist. Mit Schönheit bezeichnet man z. B. im Mittelalter „den Glanz der Wahrheit“, also wurde sie als Eigenschaft der Gedanken angesehen. In der Neuzeit  und mit Baumgarten wurde der Begriff „Schönheit“erweitert verstanden und zu einer „ätherischen Wahrheit“erhoben, die sich auf die sinnliche Erscheinung einer harmonischen Ordnung bezieht. Die Sinne vermögen die lebendige und komplexe Wirklichkeit erfassen und diese zu einer harmonischen Ordnung gestalten. Daher ist auch die harmonische Ordnung der Gedanken Bestandteil der „schönen Kunst“. Die Ausdrucksform zur Vermittlung sinnlicher Erkenntnis ist somit für Baumgarten noch viel wichtiger als im Fall der rationalen Erkenntnis.

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