01.05.2015

Die „subjektive Allgemeingültigkeit“ der ästhetischen Urteile bei Kant



Kant fragt sich nach den apriorischen Bedingungen für die allgemeine Mittelbarkeit eines ästhetischen Urteils. Diese Frage untersucht er in seiner „Kritik der ästhetischen Urteilskraft.“ (1) Ihm ist auch bewusst, dass Fragen des Geschmacks allein den Gefühlen der Lust und Unlust unterliegen und somit nicht objektiv im Vorbild der Erkenntnis der Wirklichkeit beantwortet werden können.
Die ästhetischen Urteile können nur subjektiv getroffen werden. Aber Kant meint, dass dieser Subjektivität eine Zustimmung unterstellt werden kann, nämlich, die mögliche Zustimmung anderer. Für ihn ist eine ästhetische Beurteilung (etwa diese Blume ist „schön“) nicht bloß individuelle Empfindung, die den anderen verschlossen bleibt, sondern ein allgemein gültiges Urteil, da dieses mit dem Anspruch verbunden ist, dass auch andere ihm zustimmensollten, d.h. bei anderen Geltung finden.Daher erheben ästhetische Urteile Anspruch auf Allgemeingültigkeit, ohne dafür objektive Gründe zu haben. So sagt Kant: „Wenn man Objekte bloß nach Begriffen beurteilt, so geht alle Vorstellung der Schönheit verloren. Also kann es auch keine Regel geben, nach der jemand genötigt werden sollte, etwas für schön anzuerkennen. Ob ein Kleid, ein Haus, eine Blume schön sei: dazu läßt man sich sein Urteil durch keine Gründe oder Grundsätze beschwatzen. Man will das Objekt seinen Augen unterwerfen, gleich als ob sein Wohlgefallen von der Empfindung anhinge; und dennoch, wenn man den Gegenstand alsdann schön nennt, glaubt man eine allgemeine Stimme für sich zu haben, und macht Anspruch auf Beitritt von jedermann, da hingegen jede Privatempfindung nur für ihn allein und sein Wohlgefallen entscheiden würde.“ (2)
Kant bezieht diese zumutbare Zustimmung anderer nicht auf objektive Beschaffenheit der Natur, sondern auf eine besondere Selbstwahrnehmung, nämlich das Erfahren einer inneren Freiheit, eines spielerischen Umgangs mit unserer Wahrnehmung, während wir ästhetische Urteile fällen. Er sieht in dieser gemeinsamen Freiheitserfahrung eine Basis einer Zustimmung bei den ästhetischen Geschmacksurteilen und von daher auch für eine besondere Ausbildung unserer Menschlichkeit.
Kant versucht somit eine „subjektive Allgemeingültigkeit“ der ästhetischen Urteile zu „begründen“ bzw. plausibilisieren, indem er Bezug auf die Zumutbarkeit einer Zustimmung anderer und auf die spielerische Lust an der Freiheit nimmt. Wenn Baumgartens Ästhetik von einem metaphysischen Schönheitsbegriff ausgeht, versucht Kant hier von der Metaphysik der Schönheit hin zur (Inter-)Subjektivität ästhetischen Erlebens. Der ästhetische Geschmack stellt für Kant eine gemeinsame Weltsicht, die nicht auf objektive Gesetze, sondern auf freie Zustimmungsfähigkeit zurückgeht. „Der Geschmack ist also das Vermögen, die Mitteilbarkeit der Gefühle, welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittlung eines Begriffs) verbunden sind, a priori zu beurteilen.“ (3)

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Literatur

(1): Immanuel Kant "Kritik der Urteilskraft", Teil1
(2): ebd. B 25f.
(3): ebd. B 160f.
 

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